Leserbrief: Fragen Sie Ihren Arzt (oder besser nicht)
MoabitOnline freut sich über Gastartikel, sie können eingereicht werden, im man auf „mitmachen!“ klickt. Meistens erreichen uns über diese Funktion allerdings nur kurze Werbetexte oder Veranstaltungshinweise, die wir dann entsprechend in unseren Veranstaltungskalender einbauen. Vor kurzem erreichte uns folgende Zuschrift. Der Text ist zwar kein Gastartikel, sondern eher ein persönlicher Bericht. Wir möchten ihn dennoch gerne als LESERBRIEF zur Diskussion stellen:
„Es mag sein, dass dies ein allgemeines Problem geworden ist und nicht nur Moabit betrifft.
Wer aber in Moabit zur Zeit echte gesundheitliche Probleme hat und auf die ärztliche Infrastruktur im Bezirk angewiesen ist, der „läuft mächtig gegen die Wand“, selbst bei Dringlichkeit.
Als ehemaliger Unternehmer mit Erfahrung im „Pleite gehen“ würde ich von Konkursverwaltung bei der ärztlichen Versorgung reden. Es wird nur noch das Nötigste gemacht, und viele Patienten werden auch unbehandelt nach Hause oder zu einem anderen Arzt geschickt, weil einfach keine Zeit da ist.
Eine Gürtelrose im Mai bei mir wurde zunächst nicht behandelt, dann nicht erkannt und nachher unter Protest des überlasteten Hausarztpersonals Notfall zwischengeschoben, nicht jedoch, ohne dass dies meinen Ruf als unzuverlässiger Patient festigte, weil ich eben nicht wie alle anderen um 8 Uhr pünktlich auf der Matte stand, sondern mich erst mal um andere gesundheitliche Nöte kümmern musste, als Alleinstehender kommt man da ganz schnell in die Bredouille, auch mit Handy, wenn einfach niemand ans Telefon geht.
(Durch diesen Notfall musste ein anderer geplanter Termin wiederum verschoben werden, was zu meinem Rauswurf führte.)
Damit nicht genug gab es bei mir wegen fortgeschrittener Diabetes Probleme mit Füßen und Nieren. Zwar wurde alles behandelt, aber mit blutenden Füßen nach Hause geschickt zu werden, gehört inzwischen genauso zum Moabiter Gesundheitsrepertoire wie Wartezeiten von 6-8 Wochen bei Nephrologen, Angiologen oder Kardiologen.
Der Bezirk überaltert immer mehr, aber die Politik nimmt hierauf einfach keine Rücksicht sondern baut Moabit zum Investoren- und Spekulantenparadies um.
Nur um es noch einmal deutlich zu schreiben, es liegt weniger an den Moabiter Ärzten und deren völlig überfordertem Personal als vielmehr an den Krankenkassen, die ihren Preiskrieg mit der Pharmalobby auf dem Rücken der Patienten austragen, dass gesundheitlich zur Zeit „Alarmstufe Rot“ in Berlin herrscht, auch wenn die „Berliner Morgenpost“ letzte Woche mit folgender Überschrift titelte: „Berliner Kliniken – Mehr Patienten, kürzere Behandlungszeiten„, ganz so, als sei es ein Segen, dass sich die Liegezeit in Berliner Krankenhäusern von 9,3 Tagen auf 7,6 Tage reduziert hätte. Dabei wurde dann auch noch mal daraufhin gewiesen, dass für 794.000 Patienten immerhin 20.000 Betten zur Verfügung gestanden hätten.
Der alte Otto-Waalkes Gag “ Er läge mit 40 im Bett“ bekommt damit einen ernsthaften Hintergrund.
Aber Spaß beiseite die Lage erscheint mir derart desaströs, dass sie mit der Landarztproblematik durchaus mithalten kann:
https://www.youtube.com/watch?v=rr_9ZUqjhYk&index=17&list=UUjAy6SykyQTSQ0f0r3Iaolw
Ich werde daraus meine teure Konsequenz ziehen und zukünftig weniger belagerte Arztpraxen in „besseren Stadtteilen“ nutzen und, wenn es gar nicht anders geht, auch tagsüber die Notaufnahme eines vertrauenswürdigen Krankenhauses aufsuchen, solange bis die Politk kapiert hat, dass es so nicht weiter gehen kann.“
Text und Foto: Wolfgang May
Der Autor stellt am Anfang selbst in Frage, ob die Situation nun spezifisch für Moabit ist oder für ganz Berlin gilt, endet aber seinen „Beschwerdebrief“ damit, dass er künftig in andere Stadtteile ausweichen wolle – watt denn nu? Ich kann die Meinung jedenfalls nicht teilen, dass die ärztliche Versorgung in Moabit schlechter wäre als anderswo in der Stadt. Praxen, in denen man weniger zuvorkommend, unfreundlich oder gar unwillig behandelt wird, gibt es vereinzelt überall.
In Moabit scheint es schon sehr negativ zu sein:
Psychiater drei Monate Wartezeit
Psychologe über sechs Monate Wartezeit
Augenarzt 3-8 Wochen Wartezeit
Kinderarzt überfüllte Wartezimmer mit bis zu vier Stunden Wartezeit, mit krankem Kind!
Dermatologe kein annehmbarer Arzt in Moabit
Gynäkologe vier Wochen Wartezeit, nur bei den beiden wenig gefragten Praxen in der Turmstrasse und Alt-Moabit geht es schneller, aber da will wohle Keine hin
Liste beliebig fortsetzbar
Selbst die Krankenkasse konnte keinen Termin bei einem Moabiter Psychologen in den nächsten 12!!! Monaten auftun
Und ist es im Rest von Berlin besser?
Ich kann das hier geschilderte Problem nicht bestätigen, bin aber auch nicht chronisch krank, sondern besuche nur aller paar Jahre mal einen allgemeinen Mediziner oder mit den Kleinen den Kinderarzt. Ja, bei einem Kinderarzt ist das Wartezimmer gerade in den Übergangszeiten morgens voll. Das liegt leider in der Natur der Sache, dass Krankheiten zu bestimmten Witterungsverhältnissen vermehrt auftreten. Da kommt es dann etwas aufs Geschick des Praxispersonals an, die wirklichen akuten Fälle vorzuziehen. Auch zu meiner Kindheit (DDR, nicht in Berlin) kann ich mich an stundenlanges Warten beim Kinderarzt erinnern.
Auch die ärztliche Bereitschaft am Wochenende ist akzeptabel. In einem Fall musste ich bloß 2 Stationen mit der U-Bahn nach Wedding fahren, um an einem Sonntag einen allgemeinen Mediziner zu finden.
Als ich mir vor gut 3 Jahren den Arm brach, fand ich die Notfallversorgung im Elisabeth Klinikum in der Kurfürstenstraße einwandfrei. Mein Arm war in nicht mal 60 Minuten diagnostiziert inklusive Röntgen und Gips. Die leider notwendige OP war dann auch in nicht mal 24h nach Einlieferung erledigt. Natürlich muss man auch etwas mitdenken und darf z.B. nicht auf die Notaufnahme der Charité mit ihren bis zu 10h Wartezeit rennen. Einen Orthopäden für die Nachbetreuung hat mir das Krankenhaus auch gleich vermittelt.