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Co-working Space Fritz46

In der Lübecker Straße 46 entstehen 58 mietbare Arbeitsplätze – und ein kleines Hostel

kachel-250Der Fahrstuhl ist defekt und gerade gesperrt. Das passt nicht so recht zu dem 70er-Jahre-Bau, an dessen Fassade ein Werbeschild für „Fritz Jahn Gebäudeservice“ unübersehbar ist. Aber einen Gebäudeservice gibt es hier nicht mehr. Dafür einen „Co-Working Space“.

Nils Blank sitzt in einem kleinen Konferenzraum in der fünften Etage – von hier aus hat man einen großartigen Blick über die Dächer Moabits. Der Raum ist angenehm schlicht. Ein großer Tisch aus Holz, dem man die Spuren der Zeit und vielfacher Nutzung buchstäblich nachfühlen kann. Die Betondecken im Raum sind unverkleidet, Wände und Decken zeigen den typischen Charakter des 70er-Jahre Baus. Nils Blank mag das Unverstellte, Ungeschminkte. Es ist, was es ist.

Fritz Jahn hatte die Gebäudereinigungsfirma nach dem 2. Weltkrieg gegründet; seit 1987 war der Betrieb hier in Moabit in der Lübecker Straße ansässig. Noch bis 2012 führten Jahns Tochter und Enkeltochter die Firma fort. „Aber ich habe völlig artfremde berufliche Richtungen eingeschlagen“, sagt Nils Blank lächelnd. Er studierte zunächst Geschichte und Archäologie (was möglicherweise auch die Neigung zu freigelegten Betondecken erklärt) und danach, weil man von Geschichte und Archäologie in Berlin schlecht leben kann, legte er noch eine Ausbildung für Medien- und Veranstaltungsmanagement nachgelegt.

fritz46_CE-250Was fängt man also mit dem Erbe an, einer Gebäudereinigungsfirma und einem 70er-Jahre-Bau? Die Familie entschloss sich schließlich, den Betrieb des Großvaters zu verkaufen, an einen anderen Familienbetrieb, der gewährleistete, dass die Tradition weitergeführt wird und die meisten Mitarbeiter übernommen werden.

Das Haus in der Lübecker 46 haben die beiden Enkel des Firmengründers behalten. Nicht nur wegen des „Betongoldwerts“ – es hängen auch viele Kindheitserinnerungen daran. Sie entschlossen sich, dem Haus eine neue Funktion zu geben.

Nun entstehen hier wieder Arbeitsplätze, nur anderer, neuer Art. „Co-working Space“ bedeutet, dass sich hier freie Kreative einmieten können. Nils Blank stellt die Räume zur Verfügung, 58 Arbeitsplätze und dazu die notwendige Infrastruktur: Schreibtische, Stühle, Lampen, WLAN, Telefon, Kaffeemaschine, Schließfächer, Konferenzraum. Man kann sich hier einmieten: tage-, wochen-, monatsweise oder auch fest. Zwei Architekten und ein Fotograf haben bereits feste Arbeitsplätze hier.

Die Idee hat mehrere Hintergründe: Viele Studenten und Freiberufler können sich kein eigenes Büro leisten. Viele müssen mobil sein und brauchen kein dauerhaftes Büro. Viele möchten nicht in einem beengten Zuhause arbeiten (die hohen Mieten erlauben oft kein eigenes Arbeitszimmer, und außerdem fällt einem manchmal die Decke auf den Kopf). Andere suchen einen ungestörten Arbeitsplatz, etwa für ihre Studien. Viele suchen aber auch Gesellschaft, die Chance, sich mit anderen austauschen zu können und neue Netzwerke zu knüpfen. Und dann gibt es da noch etliche, die nur kurzzeitig in Berlin sind, zu einer Tagung etwa oder mit einem Stipendium, trotzdem aber einen vernünftigen Arbeitsplatz brauchen – und Berlin ist mit öffentlicher WLAN-Ausstattung nicht eben gesegnet, anders als andere Großstädte.

Vor allem aber geht es Nils Blank darum, Leute zusammenzubringen und ihnen Kommunikation zu ermöglichen. „Innovation entsteht dort, wo Menschen sich vernetzen und kommunizieren.“ Egal, ob Studenten, Architekten, IT-Experten, Techniker, Designer, Journalisten, Fotografen …

Im „Co-working space“ gibt es wahlweise den „Flex Desk“, wo man sich jeden Tag – wie in einer Bibliothek – einen neuen Platz nehmen kann, eine Woche kostet dann 39 Euro, ein Monat 139 Euro. Ein Probetag kostet 15 Euro. Wer einen konstanten Arbeitsplatz (Fixdesk) bevorzugt, zahlt 45 Euro pro Woche oder 178 Euro pro Monat – das ist erschwinglich. Dazu kann man sich „Upgrades“ kaufen: ob Kaffee-Flatrate, Festnetzanschluss oder Postzustellung.

Gerade in Berlin – ein Anziehungspunkt für viele junge Kreative aus aller Welt und gleichzeitig eine Stadt, in der die Mieten weiter steigen –, werden solche kommunikativen Arbeitsmöglichkeiten immer wichtiger. Und eigentlich plante Nils Blank, das gesamte Haus zum Co-working space zu machen. Doch dann kamen „zwei Jungs von gegenüber“ aus der Lübecker, die vorschlugen, in den unteren Etagen ein Hostel einzurichten.

„Wir waren erst sehr skeptisch“, sagt Nils Blank. „Aber wir haben uns schließlich von ihrem Konzept überzeugen lassen. Es ist außerdem ein Familienbetrieb aus der Nachbarschaft, wo alle mitziehen.“

In der Tat ist es naheliegend, dass Menschen, die von außerhalb für ein paar Tage nach Berlin reisen und hier arbeiten, auch gleich hier übernachten können. Da es sich bei der Lübecker Straße 46 von Anfang an um einen kompletten Gewerbebau handelt, gibt es auch kein Problem mit der Genehmigung. Geplant sind ca. 50 Schlafmöglichkeiten im zweiten und dritten Geschoss, vom Mehrbett- über Zweibett- bis zum Einzelzimmer, dazu ein Frühstückscafé im Erdgeschoss und ein Fahrradverleih im Hof. In den unteren Etagen ist längst emsige Bautätigkeit zu hören. Bereits im Oktober soll das Hostel fertig sein, „ein sportliches Ziel“, Blank lächelt. „Aber zwei kleine Familienbetriebe – das passt doch.“

Sein Co-working-space heißt fritz46, wegen der Lübecker 46 und in Reminiszenz an den Großvater Fritz Jahn: „Denn der Großvater hat uns das als Familie ermöglicht.“

Text: Ulrike Steglich, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte
zuerst erschienen in der „ecke turmstraße„, Nr. 6, september/oktober 2014

Mehr Informationen unter: www.Fritz46.de

Ein Kommentar auf "Co-working Space Fritz46"

  1. 1
    Mignon Gräsle says:

    Interessant – hat den Kleinen Wermutstropfen, dass auf dem angrenzenden Schultheiss-Areal, angebaut an „fritz46“ ein Denkmal geschütztes Gebäude, eine ehemalige Kneipe steht, die einen Wintergarten gebrauchen könnte – und dass es einen kleinen, mehr oder weniger inoffiziellen Durchgang zur Lübecker Straße geben könnte – mit HGHI – HIGH GAIN HOUSE INVESTMENTS GmbH verständigen?
    Der Plan von HGHI stimmt nicht ganz – angrenzend ist ein hohes Hinterhausgebäude eingetragen – da sind aber nur Fritz46 seine Garagen!

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