Chronik Moabit
Basierend auf der „Moabiter Chronik“ von Wilhelm Oehlert, 1910. Überarbeitet und ergänzt 1994 vom Heimatmuseum Tiergarten und 2002 von Moabit Online. Die Chronik von Oehlert wurde vom Heimatverein und der Geschichtswerkstatt Tiergarten e.V. 2009 digitalisiert und dort kann für 8 Euro erworben werden. 2011 hat der Heimatverein das Buch komplett neu herausgegeben: Preis 14,95 Euro.
Ende 12. Jahrhundert:
Anlage des älteren Spandauer Heerweges (heute Alt-Moabit), Verbindung von Berlin nach Spandau.
1656
Anlage des Hinteren Tiergartens (Reste: Kleiner Tiergarten). Anlage des neuen Spandauer Heerweges (heute: Turmstraße).
1698
Der „Hohe Weinberg“ wird dem Hugenotten Menardier überlassen. 1855 wird er abgetragen, dort entsteht der Humboldthafen.
1717
Bau der königlichen Pulverfabrik in der Gegend der heutigen Rathenower Straße, 1735 Explosion.
1718
Hugenotten werden in Alt-Moabit angesiedelt. Sie sind Namensgeber für „Moabit“.
1760
Wulff’sche Bleiche auf der Judenwiese in der Gegend der heutigen Wullenweberstraße. Der „Schutzjude“ Wulff hatte das „Privileg“, eine Reinigungsanstalt zu betreiben.
Ab 1800
1806
Zuweisung der Moabiter Protestanten von der Sophienkirche an die Invalidenhausgemeinde.
1813
Befreiungskriege: In Erwartung der Truppen Napoleons wird bei Bellevue eine Schiffbrücke über die Spree geschlagen, die dann aber keine Benutzung findet.
1821
Verkehr überdachter Gondeln auf der Spree von Berlin über Moabit nach Charlottenburg.
1832
Porzellanmanufaktur Schumann in Moabit gegründet.
1835
Einweihung der Johanniskirche Alt-Moabit.
1836
Errichtung der Maschinenbauanstalt Kirchstraße der Königlichen Seehandlung, die 1850 von Borsig erworben wird.
1848
Polnische Freiheitskämpfer werden aus dem gerade fertiggestellten Zellengefängnis Moabit infolge der Märzrevolution befreit.
Eröffnung von Borsigs Eisenwerk Alt-Moabit 84 (1850: 300 Arbeiter). Bau der Villa und Anlage des Parks an der Stromstraße.
Moabit schließt sich der Bürgerwehr an und bildet eine Scharfschützenabteilung. Kompanieführer ist Adolph Schumann, Kommandeur des 17. Bataillons ist August Borsig.
1853
Porzellanfabrik Schomburg gegründet.
1854
Einrichtung einer Schule für Kinder katholischer Borsig-Arbeiter in der Stromstraße. Die Schule wird 1866 als 41. Gemeindeschule von der Stadt übernommen.
1856
Umbau von Kirche und Schule im Zellengefängnis für Einzelhaft.
1858
Das Evangelische Joahnnisstift errichtet ein Brüderhaus in der Werftstraße 1.
1861
Eingemeindung Moabits nach Berlin.
1862
Wahl von Albert Borsig zum Stadtverordneten (Fortschrittspartei). Im 3. Wahlkreis (zu dem Moabit gehört) werden Kreisrichter Dr. Schulze-Delitzsch und Seminardirektor Diesterweg (fortschrittlich) in den Preußischen Landtag gewählt.
Gründung einer Maschinenbauergruppe des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins (ADAV) bei Borsig.
1863
Gründung des ADAV-Dachverbandes durch Lassalle.
1864
Das Evangelische Johannisstift gründet seine Anlage am Spandauer Schifffahrtskanal (1919 wegen Plans für Westhafen geräumt).
Gründung des Moabiter Weihnachtsbescherungsvereins und des Krankenpflegevereins der St. Johannisgemeinde.
1867
Das Magdalenenstift errichtet einen Neubau am Südufer (neben Joahnnisstift), 1910 nach Teltow verlegt.
1868
Gründung des Dominkanerklosters in einem ehemaligen Kesselhaus in der Turmstraße.
1869
Gründung eines Waisenhauses in der Turmstraße 58 (heute 44).
Gründung des Hirsch-Dunckerschen Ortsvereins der Porzellanarbeiter Moabit.
Am 16.8. finden schwere antikatholische Krawalle am Dominikanerkloster statt („Moabiter Klostersturm“), bei denen zwei Menschen durch die Polizei getötet werden, 30 werden verletzt.
1870
Dr. Friedrich Raumer stiftet 6.000 Mark für eine Volksbibliothek in Moabit (31. Gemeindeschule, Alt-Moabit 23).
1871
Im Deutsch-Französischen Krieg kommen 20 Moabiter ums Leben.
1875
Infolge des „Kulturkampfes“ wird das Dominikanerkloster bis 1889 geschlossen.
Bau der Schüttmühle, Stromstraße.
Gründung des Ortsvereins Moabit der Fabrik- und Handarbeiter Hirsch-Duncker.
1877
Eröffnung der städtischen Wasserleitung in Moabit.
Gründung des Moabiter Ortsvereins Hirsch-Duncker für Maschinenbauer, Gründung des Medizinal-Verbandes (ärztliche Familienhilfe) für die Hirsch-Dunckerschen Ortsvereine in Moabit.
1878
Eröffnung des ersten Moabiter Kindergartens in der Johanniskirche.
Attentäter Hödel (schoss auf Kaiser Wilhelm I.) wird im Zellengefängnis hingerichtet.
Bau der Borsigmühle nahe der heutigen Hansabrücke.
1879
Preußische Gewerbeausstellung in Moabit. Werner von Siemens zeigt die erste elektrische Straßenbahn der Welt.
1880
Einweihung des Moabiter Kriegerdenkmals für die Gefallenen der Kriege 1866 und 1870/71 im Kleinen Tiergarten.
1883
Eröffnung der Deutschen Hygiene-Ausstellung um Ulap-Neubau aus Eisen und Glas, ein Jahr zuvor war der fertige Holzbau abgebrannt.
Eröffnung der Volksküche Stromstraße 6/7.
1886
Verlegung des Lokomotivbaus bei Borsig von der aufgelösten Fabrik Chausseestraße nach Moabit.
Einrichtung eines Betsaals der Jüdischen Gemeinde in der Wilsnacker Straße 62/63 (1898 Umzug in die neue Synagoge Lessingstraße).
1889
Bolles Hauskapelle, die ca. 1.000 Plätze hat, wird für öffentliche Gottesdienste genutzt. Das Kaiserpaar besichtigt den Betrieb. Der Kaiser bestimmt den Bauplatz für eine zweite evangelische Kirche (Heiland).
Gründung des Freisinnigen Vereins Moabit.
1890
Kanalisation und Pumpstation in Alt-Moabit fertiggestellt.
Kurt Tucholsky wird am 9. Januar in der Lübecker Straße geboren.
1891
Eröffnung der Markthalle X. (Arminius).
1892
Einweihung der St. Pauluskirche, Waldenser Ecke Oldenburger Straße.
1894
Einweihung der Heilandskirche, Thusnelda-Allee.
1896
Die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung verlegt ihren Sitz nach Moabit, Lübecker Straße 6.
Ab 1900
1901
Elektrischer Betrieb der Straßenbahnlinie Charlottenburg-Moabit-Gesundbrunnen.
1903
Errichtung des Vinzenz-Ferrerius-Stiftes der Arenberger Dominikanerinnen, Kruppstraße 8.
1904
Gründung des Windthorstbundes Nord-West. Einrichtung der Methodistengemeinde Moabit, Stephanstraße 61, seit 1907 in der Stromstraße 39.
1905
Errichtung des Elisabeth-Stiftes der Grauen Schwestern in der Waldstraße.
1906
Einweihung der Heilig-Geist-Kirche, Perleberger/Birkenstraße.
1907
Einweihung der Reformationskirche, Wiclefstraße.
1908
In Moabit, später auch in anderen Stadtteilen, brechen vorsätzlich gelegte Dachstuhlbrände aus. Auch der Dachstuhl der Pauluskirche wird angezündet.
1910
Moabiter Unruhen durch Streik in der Kohlenhandlung Kupfer. Eintägiger Streik von 200 Milchjungen bei Bolle.
1914
Einweihung der Synagoge Levetzowstraße.
In der Pauluskirche führen Polen einen Sitzstreik durch, weil sie eine eigene Erstkommunionsfeier für ihre Kinder erzwingen wollen. Die Kirchenleitung lässt das Gebäude durch die Polizei räumen.
1918
Im 1. Weltkrieg werden 8.411 Moabiter getötet.
1925
Religionszugehörigkeit in Tiergarten: 76% Protestanten, 12% Katholiken, 6% Juden.
1930
Krawalle in der Rostocker Straße, Kommunisten prügeln sich mit SA.
1933
In der Johanniskirche und anderswo werden Dank- und Bittgottesdienste für den „Führer“ gehalten, Hakenkreuzfahnen auf dem Altar.
Im Bezirksamt Tiergarten werden 28 Beamte, 35 Angestellte und 59 Arbeiter aus politischen oder rassistischen Gründen entlassen.
1938
In der Pogromnacht am 9. November wird die Synagoge in der Levetzowstraße kaum beschädigt.
1941
In der Synagoge Levetzowstraße wird ein Deportationslager für 1.000 Personen eingerichtet. Vom Bahnhof Putlitzstraße werden die Juden in die Todeslager gebracht.
1943
Bei den schwersten Bombenangriffen werden in der Nacht des 23. November 112.000 Menschen im Tiergarten obdachlos.
1944
Der Kommandant des Wachregiments „Großdeutschland“ in der Rathenower Straße, Major Remer, schlägt den Aufstand vom 20. Juli gegen Hitler nieder.
1945
Am 27. April erobert die Rote Armee Moabit.
Im Mai wird das Dominikanerkloster (bis 1949) zur Außenstelle des Krankenhauses Robert Koch (Krankenhaus Moabit).
Alle Brücken Richtung Wedding sind zerstört, quergestellte Kähne dienen als Übergang.
Im zweiten Weltkrieg hat der Bezirk fast die Hälfte seiner Einwohner verloren: In der Heimat durch die Bomben, Landser in Osteuropa, Juden durch Deportation.
1947
Das Kriegerdenkmal „Germania“ im Kleinen Tiergarten wird entfernt. Auf dem Sockel wird ein Denkmal für die Opfer des Faschismus errichtet, das jedoch nur kurze Zeit steht.
1948
Der 15-jährige Wolfgang Scheunemann aus Moabit wird bei gewaltsamen Auseinandersetzungen am Brandenburger Tor von Vopos getötet.
1959
Ruine des Lehrter Bahnhofs wird gesprengt.
1960
Die Kirchen in Moabit sind wieder aufgebaut.
1961
Durch den Mauerbau wird Moabit zu einem Randgebiet. In der Invalidenstraße wird ein Grenzübergang eingerichtet.
1992
Proezess gegen Erich Honecker vor dem Landgericht in Moabit.
1995
Beginn der Bauarbeiten zum neuen Berliner Zentralbahnhofs auf dem Gelände des ehemaligen Lehrter Bahnhofs.
1998
Das Bundesinnenministerium zieht auf das ehemalige Gelände der Bolle-Meierei.
Ab 2000
2006
Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs, ehem. Lehrter Bahnhof.