Megaloh – Moabits Jung wird groß
Seit kurzem ist Moabit um eine Musikgröße reicher. Im März 2013 veröffentlichte der Rapper Megaloh aus dem Moabiter Westen sein Album „Endlich unendlich“, das auf Anhieb in die Top10 der deutschen Albumcharts einstieg. Letztendlich bewahrheitete sich allerdings nur, was dem „ewigen Talent“ schon vor Jahren von Kritikern wie Kollegen vorausgesagt wurde. Endlich!
Eingeleitet wurde dieses Moabiter Musik-Kapitel letzten Sommer auf dem dritten Solo-Album von Max Herre, dem Kopf des Stuttgarter Freundeskreises. Denn ein für „21er“ schönes Detail der Platte: Die letzte Strophe darauf gehört eben jenem Megaloh, dem Max mit dieser Platzierung auf seinem Werk „den Staffelstab des deutschen Raps übergeben“ will. Denn die Solo-LP des Moabiters erscheint auf dem Musik-Label von Max und dessen Frau, der Sängerin Joy Denalane.
Und so leisten diese beiden Künstler, neben anderen derzeitigen Musikgrößen wie Marteria oder Samy Deluxe, auch einen textlichen Beitrag auf der Platte. Dabei führt der Sohn einer Nigerianerin und eines Niederländers nur fort, was in den inzwischen 13 Jahren seines musikalischen Schaffens auf Deutsch schon immer Programm war: Kollaborationen mit renommierten deutschen Musikern, zu denen unter anderem Seeed sowie die Sänger Patrice und Xavier Naidoo gehören. Mit letzterem drehte er 2009 ein Video zum Song „Alles kann besser werden“.
Besonders am Herzen liegt ihm jedoch das Verhältnis zu den beiden Label-Machern. „Joy und vor allem Max sind wie Mentoren für mich, ich bin dankbar mit ihnen arbeiten und von ihnen lernen zu dürfen. Wir verstehen uns auch sehr gut.“ Kennengelernt haben sich die drei in Moabit beim Jamaikaner in der Gotzkowskystraße, dem damaligen Soon Come, bei dem der 2-Meter-Hüne „viele schöne Stunden mit Freunden und gutem Essen verbracht“ hat.
Denn groß geworden ist der 1981 geborene Uchenna van Capelleven, so sein bürgerlicher Name, in der Jagowstraße. Er besuchte die St. Paulus Grundschule in der Waldenser Straße, später das Französische Gymnasium im Süden Tiergartens und war zehn Jahre im Moabiter Sportverein TSV Gutsmuths beim Leichtathletik, Judo, Taekwondo und Schwimmen aktiv. Gute Erinnerungen hat er auch an die Bücherei in der Turmstraße, die es heute nicht mehr gibt. „Da habe ich meine Faszination für Worte entdeckt und meinen Sprachschatz geformt, als ich so zwischen acht und dreizehn war.“
Trotz der auf den ersten Blick behüteten Kindheit und Jugend war Uchenna auch immer „Straßenjunge“. Auch wenn ihn „der Sportplatz um die Ecke vor frühen Missetaten geschützt hat“, ist vor allem aus seinen bisherigen Werken die Sozialisation in einem Stadtteil herauszuhören, der nicht unbedingt zu den besten Berlins zählt. Ein Grund, warum er sich für seine Heimat mehr Einrichtungen für Kinder und Jugendliche wünscht. „Es geht dabei weniger um die Masse der Einrichtungen, sondern um die Qualität und Kapazität. Der Bezirk muss helfen die Lebensqualität nachhaltig zu verbessern, das fängt halt bei den Kindern und den Chancen, die sie bekommen, an.“
Seiner Heimat widmete der stets höfliche Rapper mit der tiefen Bassstimme, der auch heute noch eine Wohnung in Alt-Moabit mietet, 2005 das Video „Moabit lebt“. Zu jener Zeit betrieb er mit dem Produzenten KD Supier, dem Sohn des Dirigenten und Generalmusikdirektor der Staatsoper Daniel Barenboim, das eigene Label „Level Eight“ und legte textlich einen eher härteren Stil an den Tag.
Ganz anders auf dem jetzigen Album, das sehr viel erwachsener ist und, trotz des weiterhin hörbaren Bezugs zur Straße, auch andere Hörerschaften ansprechen soll. Dieses Ziel könnte mit der inhaltlichen Tiefe und den über Hip Hop-Grenzen hinausgehenden Instrumentalen durchaus erreicht werden. Für den Großteil der musikalischen Untermalung sorgte ein weiterer Moabiter, der DJ Ghanaian Stallion, mit dem Megaloh schon in seiner Kindheit die Spielplätze Moabits unsicher machte. Heute trägt der 32-jährige selbst die Verantwortung für die Kinder seiner Lebenspartnerin. Wie es ist, neu in eine Familie mit Kindern, die nicht die eigenen sind, zu kommen erzählt z.B. der Song „Vaterfigur“. Der Track „Loser“, die erste Videoauskopplung des neuen Albums, thematisiert hingegen den Stress, den er mit seinem Job bei einem weltweiten Zustellunternehmen hat, um über die Runden zu kommen. Denn leben kann der Rapper von der Musik (noch) nicht. Vielleicht ändert sich das ja mit seinem neuen Album, dessen Titeltrack in einem bildlich sehr beeindruckenden Video in Nigeria verfilmt wurde. Unabhängig vom kommerziellen Erfolg des Albums hat Moabit nach Kurt Tucholsky und Farin Urlaub von den Ärzten jedoch mit Sicherheit einen weiteren großen Lyriker hervorgebracht. Und das obwohl dieser „seit den Tagen in der Bücherei nie wieder Muße fürs Lesen hatte“.
Sein lyrisches Talent nutzt er aber im Rahmen eines Verlagsvertrags auch als Songwriter für andere Künstler. Dies jedoch unter anderem Pseudonym, da er nicht gerne mit den produzierten Popsongs – man munkelt einige darunter in den Charts – in Verbindung gebracht werden möchte.
Nachdem Megaloh mit DJ Ghanaian Stallion den März über als Vorgruppe der Max Herre-Tour unterwegs waren, wird er dieses Jahr auch als Headliner durch Deutschland touren. Dass er auch auf der Bühne eine gute Figur macht, zeigte er bereits letzten Sommer auf einigen Festivals wie dem Splash, Summerjam und Frauenfeld, auf denen er ebenfalls mit Max und Entourage unterwegs war.
Moabit bleibt dabei jedoch immer Megalohs Heimat, auch wenn sie für ihn neben „Kindheitserinnerungen auch Frust und Gefängnis bedeutet, weil es mich daran erinnert, dass ich hier immer noch rumhänge, obwohl ich eigentlich weg möchte Richtung Sonne“.
2005 – „Pump das“/“Moabit lebt“
2009 – „Alles kann besser werden“ mit Xavier Naidoo
2012 – „Loser“
2013 – „Endlich unendlich“/“Programmier dich neu“
Hier noch ein Interview zum Album.
Text: Jonas Lumpe, Fotos: Robert Winter
Zuerst erschienen als Kiezportrait auf der Webseite des QM Moabit West.
Nachtrag:
Lesen Sie auch das Portrait im Tagesspiegel.