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Neukölln ist überall

Wir als Bürger/ innen dieses Landes legen einen großen Stellenwert auf Erhaltung und Weiterführung der freiheitlich, demokratischen Grundsätze. Jene Institutionen, unter anderem auch das Polizeipräsidium, gelten als Hüter und Wegweiser dieser Grundordnung in unserem Rechtstaat. Des Weiteren ist es wichtig zu erwähnen, dass die Behörde als exekutives Organ für Durchsetzung von Recht und Ordnung befugt ist, um vor allem die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten.

Wir wissen die unternommenen Anstrengungen und dem gewissenhaften Einsatz der Polizeibeamten zu schätzen und können das nur loben.

Leider bin ich gehalten, unzumutbare Vorkommnisse, die sich am 26.10.2011 um 16:15 Uhr in Berlin Paulstraße/ Alt-Moabit ereigneten, hier zu dokumentieren.

Unterwegs zu meiner Tochter, um sie aus Steglitz von der ISB – Internationale Kantschule Berlin abzuholen, zeigte die Uhr 15:15. Ankunft in der Körnerstraße ca. 15:35 Uhr. Abfahrt von der Schule gegen 15:45 Uhr. Routinemässig nahmen wir die Strecke Straße des 17. Juni, um über Bach- ind Lessingstraße nach Moabit zu gelangen. Doch unterwegs bat mich meine Tochter (damals 7 Jahre alt, sie besuchte die 3. Klasse ), ob ich ihr erneut das Brandenburger Tor zeigen könne, und so fuhren wir am S-Bahnhof Tiergarten vorbei in Richtung Siegessäule und nahmen die Ausfahrt zum Brandenburger Tor. Im Radio wurde zwischenzeitlich über die Bundeskanzlerin Frau Merkel etwas berichtet. Meine Tochter fragte, wie Frau Merkel mit Vornamen hieß, ich antwortete Angela. Sie erwiderte, dass es anders lautete und verwies auf ihre Amtsbezeichnung Bundeskanzlerin, und wir lachten zusammen. Sehr aufgeregt bewunderte sie das Brandenburger Tor und wir fuhren zum Anschluss am Abgeordnetenhaus sowie dem Bundeskanzleramt und Schloss Bellevue vorbei. Über John-Foster-Dulles-Allee bogen wir rechts in die Paulstraße, um über Alt-Moabit zur Rathenowerstraße und zum Anschluss auf die Birkenstraße zu gelangen, wo wir wohnen.

Auf der Paulstraße / Alt-Moabit ( Zone 30 ) stand mitten auf der Fahrbahn zwischen den Autos ein Polizeibeamter. Aus diesem Grunde war der Verkehrsfluss erheblich beeinträchtigt. Er ließ den Wagen vor uns vorbeifahren und begab sich in einer überheblichen Form vor unserer Fahrzeug, nahm seine Kelle hoch und wies mehrmals mit seiner linken Hand zu rechten Straßenrand. Hierbei ist es von Bedeutung zu erwähnen, dass die Gesten und Mimiken des Beamten nicht einer freundlichen Art gleichzusetzen waren, sondern mehr einer genervten Person entsprachen. Den Anweisungen des Polizeibeamten habe ich unverzüglich Folge geleistet. Er näherte sich zur Fahrerseite, ich ließ die Fensterscheibe runter. Ich habe in diesem Augenblick eine Begrüßung erwartet, stattdessen wurde prompt und sehr unfreundlich gefragt: „Wissen Sie, warum wir Sie angehalten haben?“ (Zitat) Ich erwiderte, dass ich es nicht wisse. Er verwies mich auf das rechte Abblendlicht, welches nicht mehr funktionsfähig war. Da das Fahrzeug mit einer automatischen Lichtanlage ausgestattet ist, waren die Lichter bereits vor Eintritt der Dunkelheit (ca. 16:15 Uhr) eingeschaltet, so dass dieser Mangel zu sehen war. Er forderte mich auf, dieses von Außen selber zu betrachten, was ich auch tat. Ich gab ihm recht und begab mich erneut in Richtung Steuer.

Währenddessen gab der Beamte sehr unfreundlich und betont folgende Bemerkung von sich: „Das Kind gehört eigentlich nicht nach vorne, es ist nicht altersgerecht, ist mir ja auch völlig egal, wenn sie durch die Windschutzscheibe auf die Straße fliegt, es ist ja auch nicht mein Kind!“ (Zitat) Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass meine Tochter auf einem Kindersitz saß und sehr wohl auch angeschnallt war. Ich blieb gelassen, setzte mich ans Steuer und sagte nichts. Er forderte mich auf, den Fahrzeugschein zu zeigen: „Totz allem möchte ich die Papiere sehen.“ (Zitat) Ich übergab ihm den Fahrzeugschein und meinen Personalausweis. Draußen fing es an zu regnen. Er betrachtete die Papiere einen kurzen Moment und sagte sehr unhöflich: „Haben Sie so was wie Führerschein?“ (Zitat) Ich übergab ihm meinen Führerschein. Er fragte: „Wer ist das?“ (Zitat) Ich antwortete, dass ich es sei. Er schrie: „Werden Sie nicht unverschämt, ich will wissen, wer der Fahrzeughalter ist.“ ( Zitat) Ich antwortete, dass es mein Schwiegervater wäre. Mit erneut rauer und lauter Stimme befahl er mir aus dem Fahrzeug heraus zu kommen: „Steigen Sie sofort aus dem Wagen!` (Zitat) Ich wies ihm auf mein Recht hin, im Fahrzeug bleiben zu dürfen. Darauf hin der Beamte schreiend: „Sie haben mich angespuckt, ich werde gegen sie Anzeige erstatten.“ ( Zitat) Meine Tochter und ich waren sehr überrascht und erschrocken. Ich forderte ihm auf mir seine Dienstnummer auszuhändigen, und erklärte, dass ich unter diesen Umständen  keinen Dialog führen möchte, und warum er die Unwahrheit sage. Ich sagte: „Hören Sie auf zu provozieren, ich bitte Sie, ich habe Sie nicht angespuckt.“ (Zitat)

Ich blieb im Auto sitzen und beruhigte meine weinende Tochter, er ging mit den ausgehändigten Papieren zum Einsatzfahrzeug, wo andere Beamte warteten. Es waren insgesamt noch weitere vier Beamte (eine Polizeibeamtin) am Einsatzfahrzeug.

Es vergingen ca. 20 Minuten und ich wartete vergeblich auf die Dokumente und musste sozusagen eine ‚Geduldprobe‘ bestehen. Da meine Tochter unruhig wurde, stieg ich aus dem Auto aus und ging zum Einsatzfahrzeug. Ich sprach den Herren, der uns angehalten hatte, an und verlangte die Herausgabe meiner Dokumente, um weiterfahren zu können. Dieser ignorierte mich und sagte: „Ich möchte mit Ihnen nicht sprechen.“ (Zitat) Ich ging zu einem älteren Beamten in der Nähe und fragte, ob es zumutbar ist, einen Bürger mit einem kleinen Kind so lange aufzuhalten, und dass meine Tochter ihre Notdurft verrichten möchte. Er erwiderte: „Der Kollege möchte gegen Sie wegen Beleidigung Anzeige erstatten, kann ich nicht ändern. Sie müssen warten bis andere Polizeibeamte eintreffen, um die Anzeige aufzunehmen.“ (Zitat) Es blieb mir nichts anders übrig, als mich diesem Schicksal zu beugen und lautstark zu protestieren: „Es ist unverantwortlich, unfair, unverhältnissmäsßig, es ist keine Verkehrskontrolle mehr, es gleicht einer Repressalie, Willkür.“ (Zitat)

Auf meine Frage, wer der Einsatzleiter vor Ort ist, dass ich mich beschweren will, wurde nicht eingegangen und ich wurde ignoriert.

Alle Beamte/innen haben uns nicht wahr genommen, uns den Rücken zugekehrt, weg geguckt. In keiner Weise wurde in der gesamten Angelegenheit beruhigend, geschweige deeskalierend eingegriffen. Lediglich stieg aus dem Fahrzeug ein Polizeibeamter und übergab mir einen Mängelbericht.

Ca. 10 Minuten später traf ein Streifenwagen ein, es stiegen zwei junge Polizeibeamte/in aus und begaben sich zu dem Beamten, der mich wegen Beleidigung anzeigen wollte. Meine Tochter und ich standen etwas abseits und konnten nicht hören, was gesprochen wurde. Anschließend kamen beide zu uns und belehrten mich, zu den Vorwürfen nicht aussagen zu müssen. Ich schilderte, wie es zu diesem peinlichen Vorfall gekommen ist, und sie wiesen mich darauf hin, dass ich Post kriegen werde, und ich ausführlich dazu Stellung nehmen kann.

Da bereits von Seiten des Beamten eine Anzeige erstattet worden war, bestand ich ebenfalls auf der Aufnahme meiner Anzeige wegen Verleumdung. Diese wurde aber leider erst nach mehreren Drängen  aufgenommen. Per Handy mussten sie sich erkundigen, ob es ginge oder nicht. Erst als ich meinte: „Sollten Sie meine Anzeige nicht aufnehmen, bin ich leider gezwungen die Polizei zu verständigen, um denen diese Aufgabe aufzuerlegen“ (Zitat)

Meine Ausweisdokumente wurden mir übergeben und meinem Anfragen entsprechend die Dienstnummer des Polizeibeamten von seinem Kollegen ausgehändigt. Die Versuche, die Situation in einem Gespräch vor Ort zu klären, fand keine Akzeptanz und so fuhren meine verunsicherte Tochter und  ich gegen 16:50 Uhr nach Hause.

Das Abblendlicht rechts wurde am nächsten Tag durch meinen Schwiegervater, dem das Fahrzeug auch gehörte (das Fahrzeug wurde von mir an diesem Tag nur ausgeliehen) beim Autohersteller vorgeführt und der Mängel behoben (Kosten: 11 Euro). Es leuchtet wieder.

Jedoch wurde versucht meiner 7 jährigen Tochter und mir das Licht in unseren Augen weg zu nehmen, mit dem wir ein grosses Sichtfeld erblicken und Horizonte erfassen. Wir sehen die Hauptstadt Berlin mit all ihren Meisterwerken, Menschen, Geschichten, wir sehen und leben Deutschland in uns …

Es war vor allem diskriminierend, unzumutbar, unehrenhaft,  unwürdevoll, respektlos, sittenwidrig, stieß an die Grenzen der Nötigung und Freiheitsberaubung und erzeugte in mir große Enttäuschung, Ohnmachtsgefühl und Verzweiflung. Es war meines Erachtens keineswegs freiheitlich, geschweige demokratisch und widersprach den Grundsätzen des Rechtstaates, auf den wir sehr stolz sind.

Wir betreiben unmittelbar in der Nähe des Polizeiabschnitts seit 2003 ein Cafe-Geschäft. So waren wir am 24.10.2011 im Roten Rathaus durch den regierenden Bürgermeister von Berlin Herrn Klaus Wowereit, den Senator für Bildung  Herrn Zöllner, die Bildungsministerin Frau Schavan sowie den Staatssekretär Herr Helge Braun für unsere besonderen Dienste zur Förderung der Integration bzw. Beschaffung von Ausbildungsplätzen für junge Menschen geehrt worden. Wir geben uns große Mühe, ich unter anderem auch als Quartiersrastmitglied in Moabit-Ost, um das Miteinander in unserem Quartiersgebiet besser und zukunftsorientiert effizient zu gestalten. Der Ruf nach Unterstützung durch alle Gremien, Behörden wäre an dieser Stelle sehr angebracht.

Für über 10.000 Menschen in unserem Kiez setze ich mich als Quartiersratsmitglied ein, die uns wegen unseren Engagements, Respekt und Toleranz ausgewählt haben, wo an Anspucken eines Polizeibeamten nicht zu denken wäre.

Wir protestieren und verurteilen das unverhältnismässige, unzumutbar negative Auftreten des Polizeibeamten und bemängeln trotz unserer Dialogbereitschaft (ich beziehe mich auf das Telefonat vom 27.10. um 11:02 sowie um 14:51 Uhr ) für ein Gespräch mit uns nicht zur Verfügung zu stehen. Es zeigt eine verdeckte Arroganz und stösß an die Grenzen einer weitreichend dominierenden Parallelgesellschaft. Ein Polizeibeamter mit Öffentlichkeits-Aufgaben, der täglich mit Menschen zu tun hat, sollte in der Lage sein auf bestimmte  Höflichkeits- und Kommunikationskriterien zu achten und diese einzuhalten.

Wir sahen uns veranlasst gegen den Polizeibeamten dienstrechtlich, sowie strafrechtlich vorzugehen und haben nach Zugang der Anzeigemitteilungen zur Wahrnehmung unserer Interessen einen Anwalt beauftragt. Der Auftakt der 1. Verhandlung findet am 6. November 2012 statt. Ich lade alle herzlich ein, dabei zu sein!

Die Adresse lautet: Amtsgericht Tiergarten, Kirchstraße 6, 10557 Berlin, Raum 2108, 6.11.2012, 9:15 Uhr

Fatih Bayram

7 Kommentare auf "Neukölln ist überall"

  1. 1
    Aro Kuhrt says:

    Widerlich. Ein rassistischer Hintergrund kann schon sein, aber auch ich, der keine „verdächtige“ Haut- und Haarfarbe hat, habe das schon so ähnlich erlebt. Leider gibt es noch immer Polizisten, die ihren Job dazu nutzen, Machtgelüste auszuleben und vermeintlich wehrlose Bürger zu drangsalieren. Was wir in Diktaturen anprangern, das gibt es auch bei uns. Meist ist das glücklicherweise ein vereinzeltes Phänomen, aber manchmal kommt auch dieser ekelhafte Corpsgeist durch und dann machen alle mit. Ohne Zeugen hat man dann schlechte Karten. Ich hoffe, dass sich am 6. November ein Richter findet, der das Spielchen nicht mitmacht.

  2. 2
    Jörn Jensen says:

    ich empfehle ein besorgtes Schreiben an den Innensenator, wie ich es anlässlich der Kundgebung von „Pro Deutschland“ am 13. Oktober 2012 gemacht habe. Wenn der Innensenator immer wieder solche Schreiben erhält, kann ihm das nicht gleich sein – er will schließlich gute Umfragewerte haben und wieder gewählt werden. Und die Beamtinnen, die solche Vorgänge bearbeiten müssen, werden auf Dauer auch unwillig dem Chef gegenüber.
    Allerdings habe ich bis heute noch keine Antwort des Innensenators erhalten.
    Jörn Jensen

    Kundgebungsbeobachtung 13. Oktober 2012
    16. Oktober 2012
    An den Senator für Inneres und Sport
    Herrn Frank Henkel

    Sehr geehrter Herr Senator, lieber Frank Henkel,
    am Sonnabend, den 13. Oktober 2012, habe ich am Paul-Löbe-Haus Berlin ab 16:30 h die Kundgebung der Bürgerbewegung Pro Deutschland beobachtet. Dabei sind mir Dinge aufgefallen, die ich Ihnen mitteilen will.
    An der Kundgebung haben etwa 25 Personen teilgenommen, gegenüber auf dem Gehweg am Platz der Republik hatten sich etwa gleich viele Personen eingefunden. Da ein reger Fußgängerverkehr von Berlingästen über den Platz der Republik in Richtung Hauptbahnhof und umgekehrt verlief, ist die genaue Anzahl schwer zu bestimmen. Zwischen den beiden Gruppen bildeten Sicherheitskräfte der Berliner Polizei eine lockere Kette.
    Als ein Redner der Bürgerbewegung Pro Deutschland in einer ersten Rede verunglimpfende Äußerungen über MigrantInnen und AsylbewerberInnen machte, erschollen seitens der Gegendemonstranten vereinzelte „Buh“-Rufe und Pfiffe. Auch ich habe meinem Unmut durch einen lauten Pfiff Ausdruck gegeben.
    Daraufhin gingen vier oder fünf Sicherheitskräfte der Berliner Polizei auf eine kleine Gruppe von Personen, die ihren Unmut bekundet hatten, zu und verwies sie vom Gehsteig der Paul-Löbe-Straße auf den Grasstreifen des Platzes der Republik. Auf Nachfrage sagte mir eine junge Frau aus dieser Gruppe, dass sie nicht auf dem Gehsteig, sondern nur aus der größeren Entfernung von der Rasenfläche pfeifen dürfe. Ich bin daraufhin zu dem Beamten gegangen, der dieses Verbot ausgesprochen hatte und habe ihm gesagt, dass ich auch gepfiffen hätte und dass ich dies auch wieder tun würde, wenn mir Aussagen der Kundgebungsteilnehmer missfallen. Meine Frage, was dann geschehen würde, wurde mir gesagt, dass ich damit rechnen müsse, dass mich die Sicherheitskräfte dann daran hindern. Meine Frage nach der Vorschrift, nach der dies geschehen würde, wurde allgemein mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit der Kundgebungsteilnehmer beantwortet.
    In der Zwischenzeit hatte sich eine weitere Gruppe von etwa zehn Personen mit Migrationshintergrund auf dem Gehweg eingefunden, aus der bei einem erneuten verbalen Angriff seitens der Kundgebungsredner auf AsylbewerberInnen unter „Buh“-Rufen Pappschilder mit der Aufschrift „No human being is illegal“ hochgehalten wurden. Der Beamte, der schon das Pfeifen auf dem Gehweg untersagt hatte, ging mit weiteren Sicherheitskräften zu dieser Gruppe und verwies sie ebenfalls auf die Rasenfläche.
    Ich habe mich daraufhin mit dem Einsatzleiter in Verbindung gesetzt und ihn gefragt, nach welcher Vorschrift Missfallenskundgebungen aus dem Kreise der Zuhörenden an einem bestimmten Ort untersagt werden. Der Einsatzleiter war über diese Information sichtlich erstaunt und sagte mir, er werde sich darum kümmern, denn es gebe keine solche Vorschrift.
    Bei der nächsten Missfallenskundgebung schritten die Sicherheitskräfte auch nicht mehr ein.
    Im weiteren Verlauf wuchs die Zahl der kritischen bis ablehnenden ZuhörerInnen weiter an; eine Gruppe von etwa zwölf sich als „Antifa“ bezeichnenden jungen Menschen, nach ihrem Aussehen und Auftreten zum Teil Jugendliche und SchülerInnen, wurde von den Sicherheitskräften an der Rasenkante an einer weiteren Annäherung an die Kundgebung gehindert.
    Nach weiteren Unmutsäußerungen, Sprechchören und Pfeifkonzerten gegen einen neuen Redner der Kundgebung und seinen verbalen Angriffen auf AsylbewerberInnen, Rot-Grün und Linke marschierte eine geschlossene Kette von Sicherheitskräften in Mannschaftswagenstärke auf die „Antifa“-Gruppe zu, um sie bis zur Scheidemannstraße abzudrängen. Es erging keine Aufforderung, den Platz zu verlassen und bis zur Scheidemannstraße zurück zu gehen. Von dieser Gruppe gehe ein erhebliches Sicherheitsrisiko aus, sagte mir der Einsatzleiter auf meine Nachfrage. Dabei kam es beim Erstkontakt der Sicherheitskräfte mit den „Antifa“-Jugendlichen zu einem unverhältnismäßigen Körpereinsatz seitens zweier Polizeibeamter, einer davon der Beamte, der auch die unzulässigen Verbote ausgesprochen hatte. Sie stießen zwei in der ersten Reihe Stehende so heftig mit den Fäusten nach rückwärts, dass ich das auch als Schläge bezeichnen kann. Die „Antifa“-Gruppe“ ließ sich ohne Widerstand bis zur Scheidemannstraße eskortieren.
    Ich konnte insofern zumindest kein erhöhtes Sicherheitsrisiko und keine erhöhte Gewaltbereitschaft erkennen. Allerdings ist die Lageeinschätzung nicht meine Aufgabe, so dass ich mich nach der Rücksprache mit dem Einsatzleiter auch nicht eingemischt habe. Vorher hatte ich allerdings mit einzelnen Personen aus der „Antifa“-Gruppe“ gesprochen und mäßigend auf sie einzuwirken versucht und sie aufgefordert, von jeglicher Gewalt abzusehen.
    Ich habe Ihnen nach reiflicher Bedenkzeit den Vorfall so akribisch beschrieben, weil ich das Vorgehen einzelner Beamter trotz des sehr besonnenen und umsichtigen Verhaltens des Einsatzleiters unangemessen finde und als unverhältnismäßig einschätze.
    Ich halte es für fatal, wenn der Eindruck entsteht, dass gewaltbereite Beamte der Sicherheitskräfte – und die gibt es ganz zweifelsohne genauso wie es gewaltbereite DemonstrantInnen gibt – glaube, jetzt endlich mal wieder richtig hinlangen zu können, weil der Innensenator nicht mehr von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, sondern von der Christlich Demokratischen Partei Deutschlands gestellt wird. Das vergiftet die allgemeine Stimmung und ist kontraproduktiv für unser gemeinsames Ziel, gesellschaftliche Verhältnisse in Berlin zu erhalten, in denen alle unterschiedlichen Gruppen friedlich und gedeihlich miteinander leben können.
    Noch ein Anmerkung zum Schluss. Ich finde es bedauerlich, dass kein Mitschnitt der Kundgebung auf Tonträger gefertigt wurde (so wurde ich zumindest von einer Beamtin beschieden).
    Der letzte Redner der Bürgerbewegung Pro Deutschland hat eindeutig antisemitische Hetzparolen vorgetragen. In meiner Erinnerung hat als negativ für die Bundesrepublik ausgeführt, dass „hier auf den Straßen Judenschweine herumlaufen“. Die Beamtin, die ich darauf ansprach, sagte mir, dass sie nicht mehr zugehört habe, nachdem gleich zu Beginn der Rede deutlich wurde, dass der Redner „dummes Zeug“ redet. Das die Rede verlesen wurde, ersuchte ich um die Beschlagnahme des Redemanuskriptes. Ich wurde beschieden, dass dies nur möglich sei, wenn eine Anzeige vorläge. Ich habe daraufhin Anzeige erstatten wollen, allerdings konnte keiner der anwesenden Sicherheitskräfte eine Anzeige aufnehmen. Die hätte ich im zuständigen Abschnitt erstatten müssen. Nun kenne ich „meinen ehemaligen Bezirk“ – der Abschnitt liegt so weit entfernt, dass nach erfolgter Anzeige kein Kundgebungsteilnehmer mehr anwesend gewesen wäre. Die packten ohnehin recht schnell ihren Stand ein und verließen den Kundgebungsort.
    Zum Glück waren aufgrund der weiträumigen Absperrungsmaßnahmen außer den „GegendemonstrantInnen“ keine anderen ZuhörerInnen mehr anwesend, so dass diese Hetztiraden verpufften.
    Mit freundlichen Grüßen
    Jörn Jensen
    Bezirksbürgermeister a.D.
    von Berlin-Tiergarten

  3. 3
    Apotheker says:

    Und ich hatte kürzlich einen Polizisten als Patienten, der von einem Demonstrationsteilnehmer ( Asyl-Demo) in die Hand gebissen wurde und nun fürchtet, sich mit irgendeinem Keim infiziert zu haben. Gewalt kommt leider überall vor.

  4. 4
    A says:

    Die Polizei ist Träger des Gewaltmonopols, das heisst dieser Staat gibt ihnen u.a. das Recht, mit Gewalt gegen seine Bürger vorzugehen, um seine Gesetze durchzusetzen. Dem Ideal nach dienen jene Gesetze der Allgemeinheit und im Falle eines Missbrauchs helfen Gerichte. Im Idealfall. Polizisten haben sich aus freien Stücken für einen Beruf entschieden, den ihnen auf der einen Seite große Macht verleiht, der aber auf der anderen Seite auch gewisse Risiken birgt. Den Missbrauch polizeilicher Befugnisse damit zu relativieren, dass Gewalt leider überall vorkomme – soll das Verhalten der Beamten in obigem Bericht deshalb entschuldbar sein? – zeugt nicht nur von Zynismus, sondern von einer Blindheit für die realen Machtverhältnisse im „demokratischen Rechtsstaat“. Sobald Polizeibeamte ihr Gewaltmonpol subjektic oder auf politisches Geheiß überschrteiten, wird es brandgefährlich, nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für die Demokratie. Daher Hernn Bayram alles Gute, auch wenn ich bezweifle, dass ihm ein Gericht oder Briefe an Henkel zu seinem Recht verhelfen werden – halbwegs transparente Anwälte werden ihnen aber wahrscheinlich bereits erzählt haben, wie es um die Chancen steht, wenn die Aussage eines (im schlechtesten Fall mehrerer) Polizisten gegen die eines Bürgers steht. Ohne Videobeweis, viel Öffentlichkeit oder den äußerst seltenen Fall, dass Kollegen gegen ihre Kollegen aussagen, ist da statistisch erwiesen, und u.a. von Amnesty International seit Jahren kritisiert, nichts zu machen.

    http://www.amnestypolizei.de/

  5. 5
    Fatih Bayram says:

    Der Gerichtstermin wurde aufgrund der Abwesenheit des Klägers ( Polizeibeamte ) auf unbestimmte Zeit verschoben. Diese soll sich für 6 Monate krankschreiben lassen. Die vermutlich gegen mich zur Aussage bereiten 4 Kollegen konnten die Lage auch nicht verstehen. Sehr verwunderlich und bezeichnend an dieser Stelle ist auch, dass das Gericht meinem Anwalt anbot, den Prozess unter Annahme einer Strafgebühr von ca. 650 Euro zu beenden.

  6. 6
    Jolanta says:

    Hallo Fatih,

    es würde mich interessieren, wie es weitergegangen ist. Gab es später einen neuen Termin oder haben Sie die Gebühr bezahlt?
    Gruß

  7. 7
    Fatih Bayram says:

    Hier die Beschwerde an die Senatsveraltung für Inneres :

    am 26.10.2011 wurde ich in Zusammenhang mit einer Verkehrskontrolle in der Paulstrasse / Alt Moabit, in Begleitung meiner kleinen Tochter damit belastet, einen Polizeibeamten bespuckt zu haben. Eine detaillierte Wiedergabe des Vorfalls in Form einer Dienstaufsichtsbeschwerde habe ich Ihnen bereits am 02.11.2011 zukommen lassen.

    Die weitere Entwicklung der Beschwerde basierte darauf, entsprechend der Zuständigkeiten Ihrer Behörde, den Vorgang an die Beschwerdestelle Direktion 3 weiterzuleiten. Mit einem Schreiben vom 19.12.2011 hat Herr K. R. aus der Sicht der `Polizei` eine weniger objektive Betrachtungsweise dargelegt. Der Fall war somit für Sie als Behörde beendet.

    Parallel dazu lief bereits aufgrund der Anzeige des PK N. K. ein Ermittlungsverfahren gegen mich, welche am 3. August 2012 `prozedurbedingt` mit einem Strafbefehl endete.

    Nachdem wir vorsorglich Einspruch eingelegt und um die Anberaumung eines Termins gebeten hatten wurde diesem entsprochen. Bei der 1. Verhandlung Ende 2012, waren unter anderem 4 Polizeibeamte anwesend. Zwei von ihnen konnten vor der Verhandlung bereits gehen, zwei Andere kurz nach Eintritt ins Gerichtssaal mit Dank entlassen werden.

    Durch Seiten des Gerichtes wurde mir und meinem Anwalt der Hinweis erteilt, den Strafbefehl anzuerkennen, welches wir entschieden ablehnten.

    Der vorsitzender Richter gab nun zu Akte, dass der Polizeibeamte Herr N. K. nicht anwesend und für 6 Monate krankgeschrieben sei. Somit wurde der Verhandlungstag auf den 15.08.2013 verschoben.

    Auch an diesem Tag folgten der Einladung des Gerichtes zwei Polizeibeamte und mussten kurzerhand entlassen werden, da der `geschädigter` Polizeibeamte Herr N. K. wieder nicht am Prozesstag erschienen war.

    Aufgrund eines Disziplinarverfahrens soll er in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden sein, teilte das Gericht meinem Anwalt mit und erklärte das Verfahren in meinem Sinne für Abgeschlossen.

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    enttäuschend muss ich hiermit unterstreichen, dass während des gesamten Verfahrens eine untransparente und parteiergreifende Handlung von sämtlichen Behörden zu Tage gelegt wurde.

    Schon in der Gegendarstellung des Herren N. K. zu der Dienstaufsichtbeschwerde vom 18.11.2011 waren unverkennbar, die erstarrten und typisch klassifizierten Personenmuster als Merkmale für einen `Türken` dominierend. Ich weise diese Unterstellungen auf das Schärfste zurück.

    Es ist leider ein neuer Indiz einer verdeckten institutionellen Rassismus, wie bereits im Abschlussbericht der NSU Untersuchungsausschusses verifiziert, zu verzeichnen.

    Die Intention des Senators Frank Henkel einen Wertekatalog explizit zur Einhaltung einer gewissen Gesellschaftskreises offen zu legen, wären zumindest aus meiner Perspektive aus zu einseitig deklariert und müssen sich unmissverständlich in allen Angelegenheiten der freiheitlich demokratisch agierenden Gesellschaft wiederfinden.

    Kam der Polizeikommissar Herr N. K. den gewünschten Wertevorstellungen zu genüge? Was ist mit seinen Kollegen, die bereit waren auszusagen? Unter welche Kategorie sollte man die Vorwürfe der Beschwerdestelle Direktion 3 einordnen? War das Gericht wirklich an der Wahrheitsfindung interessiert, welches ebenso unbedeutet findet und bis heute versäumt ein entsprechendes schriftliches Urteil zu versenden? Wie wird sich die Amtsanwaltschaft positionieren, werden Sie Ihre Zusicherung ein Ermittlungsverfahren nach Abschluss des Verfahrens wegen falscher Verdächtigung gegen Herr N. K. einhalten?

    Im Angesicht der Umstände verzeichnet sich unter anderem ein Defizit der Ansprechung bezüglich einer angemessenen Entschuldigung, was zumindest einer Wiedergutmachung gleichbedeutet und den Vertrauensverlust ausgleicht.

    Wer soll sich für diese unangemessenen, schikanösen, willkürlich losgetretenen Ermittlungsverfahren, zurückführend auf den Fehlern einer inkompetenten Polizeibeamten und ihn beschützenden Zirkel verantworten? Auf eine aufrichtig, plausible Antwort wartend verbleibe ich

    mit freundlichen Grüssen

    Fatih Bayram

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