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Der erste Mauertote – Günter Litfin

litfin-250Auf der Sandkrugbrücke steht der Gedenkstein für Günter Litfin, dem ersten Menschen, der an der Berliner Mauer erschossen wurde, nur 11 Tage nach dem Mauerbau, als die Mauer eher noch ein provisorischer Grenzzaun war. Eine viersprachige Informationstafel beschreibt knapp die Ereignisse. Günter Litfin war 24 Jahre alt (geb. 19. Januar 1937), als er am 24. August 1961 beim Fluchtversuch von der Transportpolizei entdeckt wurde, in den Humboldthafen sprang und schwimmend versuchte die Westberliner Seite zu erreichen. Nach Warnschüssen wurde er durch gezielte Schüsse getötet. Die Wasserfläche des Hafens gehörte zu Ostberlin. Westberlin begann erst an der Ufermauer. Dort hatte sich eine wachsende Menschenmenge versammelt, die die stundenlangen Bergungsarbeiten beobachtete. Erst nach Einsatz von Froschmännern der Feuerwehr konnte der Tote geborgen werden. Günter Litfin hatte Maßnschneiderei gelernt, er wohnte in Weißensee, wo seit 2000 eine Straße nach ihm benannt ist. Er arbeitete in Westberlin in der Nähe des Bahnhofs Zoo. Nichtsahnend war er am Abend vor dem Mauerbaus von einem Ausflug im Westen in den Ostteil der Stadt zurückgekehrt. Er hatte bereits eine Wohnung in Charlottenburg eingerichtet, seine Übersiedelung aus familiären Gründen aber immer wieder verschoben. Sein Vater war erst im Mai gestorben. Der Gedenkstein wurde zum ersten Jahrestag seines Todes aufgestellt, stand viele Jahre am westlichen Ufer des Humboldthafens, verschwand während der Bauarbeiten. Er soll nach Fertigstellung der Arbeiten am Alexanderufer aufgestellt werden*, dort wo Günter Litfin ins Wasser sprang. Die Todesschützen wurden nach der Wende zu kurzen Bewährungsstrafen verurteilt.

Wer sich mit diesem Thema näher beschäftigen möchte, dem sei der Besuch der Gedenkstätte in einem Wachturm der Mauer an der Kieler Straße empfohlen, einer  ehemaligen Führungsstelle der DDR-Grenztruppen, Die Gedenkstätte hat der Bruder, Jürgen Litfin, ins Leben gerufen. Sie wurde am 24. August 2003 eröffnet und ist im Sommer täglich geöffnet.

wachturm-250

Gedenkstätte Günter Litfin
Kieler Straße 2, 10155 Berlin
U6 | Schwartzkopffstraße
Bus 120 | Bundeswehrkrankenhaus

Öffnungszeiten (2018):
Mai – September, Samstag und Sonntag, 11 – 17 Uhr, Eintritt frei

Öffentliche Führungen 2018
April – Oktober, Samstag, 15 Uhr
5 € / ermäßigt 3 € pro Person, SchülerInnen kostenfrei
Telefonische Anmeldung erforderlich bis Freitag vor dem jeweiligen Termin, Tel: 030 / 467 9866-23, info@stiftung-berliner-mauer.de

Hier kann man auch das Buch von Jürgen Litfin „Tod durch fremde Hand“ bestellen.

Ein ausführlicher Artikel bei spiegelonline vom 2.9.2007 beleuchtet sowohl die Erlebnisse des Bruders und Repressalien der Familie durch die DDR-Behörden, mit vielen Fotos. In einer Sendung von DeutschlandRadio sind Ausschnitte aus den diffamierenden Zeitungsartikeln von DDR-Zeitungen dokumentiert, die ihn als Verbrecher und Homosexuellen beschimpfen (oder BStU).

Weitere Informationen über die Berliner Mauer Gedenkstätten bei Berlin.de, Vereinigung 17. Juni e.V. und  bei der Chronik der Mauer.

Nachtrag:
Fluchtversuch und Tod Günter Litfins bei den Mauergeschichten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls.

*Am 8. Oktober 2015 wurde der Gedenkstein umgesetzt. Ausführlicher Artikel über G. Litfin in der Welt.

7 Kommentare auf "Der erste Mauertote – Günter Litfin"

  1. 1
    Aro Kuhrt says:

    Zufällig stand ich gestern genau an diesem Gedenkstein, als ein Ehepaar ankam und sich aufregte. Den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr, aber die Frau sagte sinngemäß: „Man soll doch nicht so tun, als ob die angeblichen Maueropfer Musterknaben gewesen wären. Sie werden schon einen Grund gehabt haben, die DDR zu verlassen, wahrscheinlich waren sie Kriminelle oder Neonazis. Außerdem sichern andere Staaten ihre Grenzen auch“.
    Am liebsten hätte ich der Frau eine gelangt, aber ich hab in meiner Empörung nur gesagt: „Halt bloß dein Maul.“ Das war bestimmt nicht fein, aber angemessen. Was die Frau dann in ihrer Aufregung daraufhin gebrüllt hat, wiederhole ich hier lieber nicht.
    Manche sind leider unbelehrbar.

  2. 2

    […] (Moabit Online, Bericht im Deutschlandradio über die Stasi-Machenschaften, Litfin als homosexuellen Kriminellen zu diskreditieren.) […]

  3. 3
    Jürgen says:

    Der Gründer der Gedenkstätte Günter Litfin, dessen älterer Bruder Jürgen Wilhelm Litfin, ist am 19. Oktober 2018 verstorben, wie die Stiftung Berliner Mauer am 8. November 2018 bekanntgab. Über 15 Jahre hat Jürgen Litfin die Gedenkstätte in einem der letzten erhaltenen Grenzwachtürme unterhalten und unzählige Besuchergruppen durch den Turm geführt. Im August 2017 übergab er die Gedenkstätte in die Obhut der Stiftung Berliner Mauer, die seitdem für den baulichen Unterhalt und die Vermittlung des historischen Ortes zuständig ist.

  4. 4
    R@lf says:

    Jürgen Wilhelm Litfin habe ich auch gekannt – gelegentlich besuchte ich ihn in seinem Turm und wir hielten ein Schwätzchen. Irgendwo habe ich auch noch Fotos. Bei einer Gelegenheit erzählte er mir die Geschichte von seinem anderen Bruder. Es war im „Tausendjährigen Reich“, also in den berüchtigten 12 braunen Jahren, als sein anderer Bruder sich so am Fuß verletzt hatte, dass er operiert werden musste. Nun war dieser dunkelhaarig und hätte auch gut einen Juden abgeben können. War aber keiner. Der operierende Nazi-Arzt war da wohl anderer Meinung und ließ dem Jungen eine Spritze verpassen, die ihn kurzerhand über den Jordan beförderte – ein vermeintlicher Jude weniger…
    Wie konnte Jürgen Litfin das wissen? Eine OP-Schwester, die das schlechte Gewissen plagte, suchte die Familie auf und erzählte ihr die Wahrheit über den Tod des Sohnes.
    So haben die Litfins zwei Söhne an zwei deutsche Diktaturen verloren – einen an die faschistische und einen an die „antifaschistische“.

  5. 5
    Zeitungsleser says:

    Ein Zeitungsbericht schon von 2007 von einer missglückten Flucht im Bus ganz in der Nähe, an der Sandkrugbrücke:
    https://www.welt.de/regionales/berlin/article1101081/Nur-ein-Meter-fehlte-bis-zur-Freiheit.html

  6. 6
    K. S. says:

    Klar hat jeder Mauertote ein bedauernswertes Schicksal, allerdings sehe ich ein gewisses Ungleichgewicht zwischen der „Aufarbeitung der DDR-Diktatur“ und der herzlosen Abwehr der „Wirtschaftsflüchtlinge“ im Mittelmeer, zumal die NATO und unsere sogenannte Marktwirtschaft ja diese Migrationen mitverursacht hat beziehungsweise immer noch mitverursacht.

  7. 7
    R@lf says:

    @K.S.: A propos „Wirtschaftsflüchtlinge“ fällt mir ein, dass meines Wissens noch nie jemand die Totgeschossenen an den anderen Grenzen der frühen BRD und der Besatzungszonen recherchiert hat: z.B. Menschen, die in der Notzeit schmuggelten, um überleben zu können. Dass damals das Überqueren der Grenzen zu anderen Staaten lebensgefährlich war, als die Knarre noch aus Kriegszeiten lockerer saß und Menschenleben weniger zählten, ist weitgehend vergessen…
    Allerdings haben manche Schmugglerbanden auch zurückgeschossen.

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