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„Das Gespräch mit den Bürgern suchen“

Im März 2011 wurde die derzeitige Stadtteilvertretung für das Sanierungsgebiet Turmstraße gewählt. 26 Bürgerinnen und Bürger engagieren sich dort für die Belange des Stadtteils. Ein Interview mit den fünf gewählten Sprecherinnen und Sprechern der Stadtteilvertretung – Angelika Adner, Axel Vierhufe, Michael Böttrich, Simon Steinicke und Christine Pradel (Foto von links nach rechts) – zu Anliegen und aktuellen Themen.

Könnten Sie zunächst kurz die Aufgaben und die Arbeit der Stadtteilvertretung beschreiben?

Adner: Das Baugesetzbuch sieht vor, dass in Sanierungsgebieten öffentlich eine „Betroffenenvertretung“ gewählt wird, um die Bürgerinnen und Bürger über die Umgestaltungsprozesse zu informieren, sie einzubeziehen und zu beteiligen. Im Gebiet Turmstraße wurde die Stadtteilvertretung erstmalig 2009 gewählt, im letzten Jahr fand turnusmäßig eine Neuwahl statt.
Wir SprecherInnen organisieren die Arbeit, fungieren sozusagen als Geschäftsführung mit verteilten Aufgaben. Wir nehmen an den Sitzungen mit dem Bezirksamt und anderen Sanierungsbeteiligten teil, wir organisieren Veranstaltungen, Workshops, das monatliche Plenum der Stadtteilvertretung, aber wir kümmern uns auch um die Protokolle und die Dokumentation der Beschlüsse der Stadtteilvertretung.

Böttrich: Die Mitglieder der Stadtteilvertretung treffen sich monatlich auf einem Plenum und diskutieren aktuelle Themen. Es gibt Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Schwerpunkten wie z.B. die AG Verkehr oder die AG Öffentlichkeitsarbeit. Das Plenum findet regelmäßig am 4. Montag im Monat statt und ist für alle Interessierte offen. Die AG Öffentlichkeitsarbeit hat immer mittwochs von 17 bis 18:30 Uhr einen Infostammtisch in der Markthalle bei „Brewbaker, bei dem jeder mit seinem Anliegen zu uns kommen kann.

Steinicke: Unsere Arbeitsfähigkeit hat sich deutlich erhöht. Im letzten Jahr ging es vor allem darum, uns zu organisieren, Strukturen zu erarbeiten, um Chaos zu verhindern, und den Kontakt zum Bezirksamt, dem Sanierungsbeauftragten und anderen Beteiligten zu stärken. In diesem Jahr wollen wir vor allem die Bürgerinnen und Bürger stärker erreichen.

Was sind derzeit Ihre wichtigsten Themen?

Pradel: Es gibt viele aktuelle Themen wie die Neugestaltung des Kleinen Tiergartens oder die Verkehrsgestaltung. Beispielsweise ist in der Turmstraße das Zuparken in der zweiten Spur durch den Lieferverkehr oder Kunden ein großes Problem. Sie halten in der zweiten Reihe, weil die eigentlichen Lieferzonen oft durch Dauerparker zugestellt sind.
Die Verkehrsplanung für die Turmstraße sieht nun einen Radstreifen auf der Fahrbahn vor. Wir begrüßen das sehr, befürchten aber, dass dieser dann auch zugeparkt wird, Radfahrer sich „einfädeln“ müssen und noch stärker gefährdet wären.

Sehen Sie Lösungsmöglichkeiten?

Vierhufe: Unser Anliegen wären stärkere Kontrollen durch das Ordnungsamt, das allerdings personell überlastet ist. Es müsste mehr Kurzzeitparkplätze geben. Wir haben auch über Parkraumbewirtschaftung, Parkscheiben und Parkautomaten diskutiert, aber darauf hat die Planung keinen Einfluss, das wären politische Entscheidungen. Ich persönlich hielte eine Parkraumbewirtschaftung für das Gebiet – die noch vor ein paar Jahren durch die Anwohner abgelehnt wurde – inzwischen für sinnvoll. Es ist ein längerer Denkprozess.

Pradel: Es fehlen auch Fahrradbügel für die radfahrenden Kunden, die in ausreichender Zahl über die Turmstraße verteilt vor den Geschäften, Restaurants und natürlich den U-Bahnausgängen aufgestellt werden sollten. Sobald es wärmer wird und die Cafés und Imbisse die Tische und Stühle auf die Straße stellen, werden wir zusammen mit den PlanerInnen sehen, wo Radabstellplätze fehlen. Vielleicht könnte man auch den einen oder anderen Parkplatz zum Fahrradstellplatz umwandeln.
Wir freuen uns übrigens, dass vor dem Rathaus Tempo 30 eingeführt werden soll und würden uns das für die gesamte Turmstraße wünschen.
Ein weiteres Problem ist die unglückliche Schaltung vieler Doppel-Fußgängerampeln, bei denen man niemals in einem Zug über die breite Straße kommt. Wir haben da schon sehr absurde Situationen erlebt, in denen sich ganze Touristengruppen mit ihrem Gepäck auf der schmalen Mittelinsel zusammenquetschen mussten. Den Schalttakt zu ändern, wäre allerdings Sache der Verkehrsbehörde beim Senat.

Auch die Markthalle ist in diesem Jahr ein Themenschwerpunkt, es geht um die Neugestaltung des Markthallen-Umfeldes …

Adner: Die Neugestaltung soll in diesem Jahr geplant werden. Es wäre wunderbar, wenn die Arminiusstraße zu einem begrünten Platz für alle würde, wo man – mit oder ohne Verzehr – sitzen kann, wo Veranstaltungen und Feste stattfinden könnten. Auch Kunst im Straßenbild fänden wir schön, eine schöne Skulptur auf dem „Arminius-Platz“ beispielsweise. Auch Radstellplätze in der Nähe der Eingänge wären wünschenswert. Vielleicht könnten auch die angrenzenden Jonas- und Bremer Straße jeweils als Einbahnstraßen ausgewiesen werden, aber das sind noch erste Ideen. Wir werden dazu das intensive Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern suchen und freuen uns schon auf die Planungswerkstatt, die es dazu geben wird.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Stadtteilvertretung mit beteiligten Gremien wie dem Bezirksamt, der Verwaltung, dem Koordinationsbüro?

Adner: Einmal im Monat gibt es eine gemeinsame Beiratssitzung, bei der sich die Bezirksverwaltung, das Koordinationsbüro als Prozesssteuerer, die Geschäftsstraßenmanager, die Vertreterin der Senatsverwaltung und die Sprecherinnen und Sprecher der Stadtteilvertretung über aktuelle Themen verständigen. Außerdem gibt es thematische Treffen, an denen wir auch beteiligt sind, beispielsweise zum Verkehrs- oder auch zum Kommunikationskonzept, bei denen die Experten die Planungen und Ideen vorstellen und wir darüber diskutieren können.
Insgesamt ist das eine recht gute Arbeitsweise. Es ist wichtig, diesen Dialog zu haben und zu pflegen. Schließlich sind wir ja gewählt, um den Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Politik und Verwaltung zu fördern. Der Austausch mit den eigentlichen Entscheidungsträgern steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Da ist ein guter Anfang gemacht, aber da braucht es noch mehr Kontinuität.

Ein lange diskutiertes Thema war die Umgestaltung der kleinen Thusnelda-Allee zur Fußgängerzone. Nach vielen Debatten ist der Umbau nun beerdigt: Nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“.

Pradel: Wir wünschten uns dort einen Stadtplatz, als komplett verkehrsfreie Verbindung zwischen dem Ottopark und dem Kleinen Tiergarten. Doch die BVG sieht das anders und will dort weiter die Busse fahren lassen. Der Senat teilt diese Sicht. Zudem steht alles unter Planungsvorbehalt, weil schon lange über eine neue Straßenbahnlinie vom Hauptbahnhof zur Turmstraße nachgedacht wird.
Wir bedauern das sehr, weil wir meinen, dass dieser Ort zusammen mit dem Rathausvorplatz eigentlich ein neues, attraktives Moabiter Zentrum sein könnte: für Märkte, Feste und Veranstaltungen.

Die nächste Etappe für die Erneuerung des Kleinen Tiergartens steht mit dem zweiten Bauabschnitt in diesem Jahr an. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Vierhufe: Es ist zwar bekannt, daß das Bezirksamt im September 2012 mit der Bürgerbeteiligung im Abschnitt zwischen Stromstraße und Johanniskirche beginnen will, allerdings ist bislang noch nicht klar, welche Zielgruppen einbezogen werden sollen und welche Beteiligungsformen es geben soll. Auch in dem Wissen, dass die Budgets begrenzt sind, erwarten wir als Stadtteilvertretung eine umfassende Bürgerbeteiligung, die möglichst viele Nutzergruppen einbezieht, wie etwa Migranten, Kinder, Jugendliche und Senioren. Unsere Position: Bürgerbeteiligung muß vorab geplant werden. Hierbei geht es nicht um die Frage, Baum x oder y zu fällen oder nicht, sondern festzulegen, welche Mitwirkungsmöglichkeiten in welcher Abfolge angeboten werden sollen.

Adner: Wir möchten, dass die Bürgerbeteiligung mehr Raum für einen echten Dialog mit den Planern lässt und deutlich früher einsetzt. Im Park müssen schon früh Info-Tafeln aufgestellt werden, wo die Bürgerinnen und Bürger sich über die Planungen informieren können. Und es muss Rundgänge geben, auf denen Interessierte sich schon früh ein Bild machen können, welche Qualitäten der Park eigentlich hat und was im einzelnen geplant ist. Die bisherigen Planungswerkstätten fanden wir gut gelungen. Aber – auch angesichts der bekannten Strittigkeiten um Baumfällungen und der bisherigen Erfahrungen mit dem Ottopark – würden wir uns wünschen, dass die einzelnen Planungsphasen mehr Zeit für Diskussionen und „Nachjustierungen“ zulassen. Auch die Einbeziehung von Menschen mit Migrationshintergrund braucht Zeit und sie braucht auch andere Instrumente als die Planungswerkstätten.
Wichtig ist zudem das Thema Straßensozialarbeit, dabei geht es um die Szenegruppen im Park. Dazu wurde im Bezirk eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der wir auch beteiligt sind. Die Szenegruppen sollen nicht vertrieben werden, aber auch andere nicht beeinträchtigen – insbesondere im Bereich der U-Bahn-Eingänge. Es geht also darum, den Kleinen Tiergarten so zu gestalten, dass die Gruppen einen Platz und eine Heimat für sich haben können. Da ist der Präventionsrat des Bezirks, Heinz Nopper, mit seinen Erfahrungen im Wedding sehr hilfreich. Konkret geht es um Toiletten, Papierkörbe, Überdachungen – und im besten Fall darum, dass die Gruppen möglichst auch selbst Verantwortung für ihren Bereich übernehmen.

Ein weiteres Thema der Stadtteilvertretung sind die sogenannten „Stadtmöbel“, dazu gehören u.a. Sitzbänke oder Wasserpumpen. Welche Ergebnisse hat ihr Engagement?

Wir haben vor zwei Jahren eine große Postkartenaktion gestartet mit der Bitte, kaputte Bänke etc. zu melden. Der Rücklauf war groß – viele Bürger schrieben zurück. Inzwischen konnten bereits 23 Bänke repariert werden. Mit den Wasserpumpen ist es schwieriger, weil einerseits offensichtlich das Geld für die Reparaturen fehlt, andererseits aber durch die Verwaltung alternative Finanzierungsmöglichkeiten blockiert werden

Jeden Mittwoch macht die Stadtteilvertretung einen „Info-Stammtisch“ in der Zunfthalle, um Bürgern mit ihren Anliegen zur Verfügung zu stehen. Wie ist die Resonanz?

Böttrich: Es gibt keinen Ansturm, aber doch zunehmend mehr Besucher. Normalerweise werden uns Vorschläge, Ideen, ja auch fertige Veranstaltungskonzepte vorgelegt. Wir laden auch für Moabit wichtige Entscheidungsträger ein. Wir möchten interessierten Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit bieten, auf dem kurzen Weg ganz unkompliziert mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Den Anfang hat im März der Markthallen-Manager Yiannis HD. Kaufmann gemacht. Es folgen bis Juli die Bezirksstadträte Stephan von Dassel, Sabine Weißler und Carsten Spallek.

Interview: Ulrike Steglich, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte

Zuerst erschienen in der ecke turmstraße, in 2 Teilen in Nr. 2 – märz/april und in Nr. 3 – april/mai 2012

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