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Von (Vier)Ecken und Runden Tischen

Frank Wolf, sein neues „Café Moabit“ –  und noch viel mehr

Etwas atemlos kommt Frank Wolf an, zusammen mit dem jungen Chihuahua Jordan, der offenbar großen Spaß an Action hat – aufgeregt tobt der winzige Hund um ihn herum.
Als Frank Wolf die Rolläden im „Café Moabit“ hochzieht (das Ende Februar noch gar nicht offiziell eröffnet hatte), geht alle paar Minuten die Tür auf. Freunde, Bekannte und neugierige Passanten schauen herein. „Frank, wann machste auf?“ – „Was wird das hier? Sieht spannend aus…“ – „Brauchst Du noch Bücher? Ich hab noch ne Kiste im Keller“  – und so geht das pausenlos weiter.

Frank Wolf alias „Käptn Kiez“ alias der „Inoffizielle Bürgermeister“ ist in Moabit bekannt wie ein bunter Hund. Hier lebt er schon lange, seine Kindheit verbrachte er am Hansaplatz.
Er ist aber nicht nur eine bunte Eminenz im Kiez, sondern auch das, was man im Theatermilieu liebevoll eine „Rampensau“ nennt: Seit 20 Jahren steht der 39-Jährige als Varietékünstler auf der Bühne. Ebenso lange hat er in seinem Studio HipHop gemacht. Außerdem produziert er „Moabit TV“, hat den Verein „Moabit ist Beste“ gegründet und eine umfängliche Kampagne für den Stadtteil gestartet, organisiert seit neuestem den „Runden Tisch Gentrification“ und richtet gerade sein Café Moabit in der Emdener Straße 55 ein – natürlich weitgehend selbst. Frank Wolf lebt auf der Überholspur, die Ideen scheinen ihm nicht auszugehen, vielleicht sind es mehr, als einer allein stemmen kann. Und wenn er erstmal anfängt zu erzählen, gibt es bald kein Stop mehr. Will auch keiner. Ist nämlich spannend, ihm zuzuhören.

Das neue Café ist einfach atemberaubend: Leuchtendes Rot, sattes Weinrot und Gold, im Schaufenster lauter alte Kaffeemühlen, jede einzelne bei ebay ersteigert – ebenso wie die plastischen Buchstaben, die derzeit noch auf dem Sofa hocken und das Wort „Moabit“ formen. „Die sind alle gebraucht, hier am t sieht man die abgestoßenen Ecken – und wir haben ja alle solche Ecken“, sagt er.

Wand, Decke und Fußboden sind von Vierecken geprägt, als Kontrast hat Wolf viele kleine runde Tische aufgetrieben, weil er hier ja Runde Tische abhalten will. Aber es gibt auch einen kleinen nichtrunden goldfarbenen Tisch, den er gekauft und selbst aufgemöbelt hat:  „Pimp my table“, lacht er und sagt: „Ich erzähl dir jetzt mal die Geschichte von diesem Tisch.“ Solche Geschichten kann er ohne Ende erzählen.

Im Café laden Sessel, Sofas, eine Bühne samt Leinwand und Equipment ein. Der erste Poetry Slam hat hier schon stattgefunden, der Laden war rappelvoll, auch Lesungen will er hier organisieren, eine Probebühne anbieten, kleine Filmfestivals kann er sich vorstellen, er kennt viele Künstler wie den Filmemacher Sven und etliche andere – die Geschichten und Ideen sprudeln nur so.
Dazu gibt es Kaffee aus einer kleinen römischen Rösterei und der 1A-Brasilia-Kaffeemaschine sowie leckere Torten vom echten Konditor. Alkoholausschank will er vorerst vermeiden, da laufen die Gäste erfahrungsgemäß leicht mal aus dem Ruder, und Stress will er nicht. Stattdessen gibt es ein Bücherregal, in dem die Besucher schmökern können.

Jede Ecke des Ladens zeugt von großer Liebe zum Detail, von Spaß, Humor und Ideenreichtum, aber auch von Sorgfalt, Perfektionismus und jener Ernsthaftigkeit, die er sich selbst abverlangt und die er ebenso von anderen erwartet. Leute, von denen nur große Sprüche, aber keine Taten kommen, hat er mehr als genug erlebt. Frank Wolf möchte was anstoßen, etwas bewegen für seinen Kiez, er hat sich unter anderem darum bemüht, das Turmstraßenfest niveauvoll wieder zu beleben, aber er macht eben auch die Erfahrung, dass es am Ende des Tages nicht sehr viele wirklich engagierte Partner gibt. „Ich spüre oft immer noch Stillstand, es fehlen die Mitmacher. Viele hier in Moabit ziehen nicht mit. Ehrlich: Wenn mir jemand eine Million in die Hand drücken würde und sagen würde, verteil die mal sinnvoll an Macher mit Ideen in Moabit, ginge mir schnell die Luft aus.“

Die Erkenntnis, dass man sich vor allem auf sich selbst verlassen sollte, hat ihn dazu gebracht, dieses Café aufzubauen. „Und dann wird sich ja zeigen, wer wirklich kommt und auf wen Verlass ist“, sagt er.

Zwischendurch muss er immer mal wieder nach Jordan sehen, der gerne auf die Straße ausbüxt, wie junge Hunde eben so sind. Frank Wolf spricht Russisch mit dem elf Monate alten Ukrainer – grammatisch nicht ganz lupenrein, Jordan versteht es trotzdem.

Frank Wolf wirkt auch manchmal wie ein junger Hund. Er wird bald vierzig, aber man sieht es ihm nicht an. Man hört es nur, wenn er über seine Erfahrungen spricht. Man hört die Enttäuschungen und die Erfolge, das erkämpfte Selbstbewusstsein des einstigen Straßenjungen. Manche halten ihn für einen Angeber, Selbstdarsteller oder Egomanen, manchen ist seine Aktivität auch einfach zu viel.  Aber wer zuhört, erlebt vor allem viel Lust an Kommunikation und am Lachen, schier unermüdliche Energie und den Willen, etwas zu tun.

Mit seinem Café zeigt Frank Wolf erneut, worum es ihm eigentlich geht. Er will einen öffentlichen Anlaufpunkt für ein Netzwerk schaffen, weg vom Bildschirm, die Leute sollen sich wirklich begegnen können, nicht nur virtuell bei Facebook. Er sucht weiter Verbündete – sie sind ihm zu wünschen.

Text: Ulrike Steglichh, Fotos: Christoph Eckelt, bildmitte (Foto 1 und 5 von oben) und Café Moabit (Fotos 2 bis 4).

Zuerst erschienen in „ecke turmstraße„, Nr. 2 März/April 2012

Café Moabit, Emdener Straße 55, nur noch Do 11-19 Uhr (und zu Veranstaltungen)

Link zum Artikel im Blog@inBerlin und im TIP zur Eröffnung.

Nachtrag:
Nun ist seit das Café nur noch zu den Veranstaltungen „Beste Story“ einmal monatlich geöffnet und immer gut besucht. Achtet auf den Veranstaltungskalender und die Ankündigung bei Moabit-ist-Beste. Bericht bei BerlinOnline
Die Runden Tische gegen Gentrifizierung in Moabit treffen sich immer am 2. Dienstag im Monat um 19 Uhr im Sahara City, Ottostraße 19.

9 Kommentare auf "Von (Vier)Ecken und Runden Tischen"

  1. 1
    Jonas says:

    Klingt auf jeden richtig einladend! Bin nur leider etwas zu weit weg, um ’n Kakao auszutesten … Orte, an denen Platz fuer Kultur ist, koennen wir immer gebrauchen. Aber Inhaber eines Cafes und gleichzeitig Gentrifizierungsgegner stelle ich mir schwierig vor. Schlaegt sich letzteres denn auch in den Preisen nieder?

  2. 2
    Nicola says:

    Frank hat wirklich meine volle Unterstützung. Immer hat ein ein offenes Ohr, nimmt sich Zeit für ein Gespräch.
    Ich wünsche ihm viel Erfolg mit dem gemütlichen, sehr individuellen Cafe!

  3. 3
    doa21 says:

    @ Jonas: Wichtig ist die Kiezeinbindung, dann klappt es. Komm doch mal im Café vorbei und schau dir die Aktionen an.

    @ Nicola: Ich bedanke mich!

    @ MoabitOnline: Danke für die Veröffentlichung.

  4. 4
    Rané says:

    Ostern habe ich Zeit, mich interessiert die weibliche Schaufensterpuppe. Dann können wir auch über die Vergabe von knappen öffentlichen Geldern im Bezirk, wie auch in Berlin, diskutieren. Es geht um die Knete, nicht nur bei Margarethe *ggg*.

  5. 5
    doa21 says:

    die Dame sitzt entspannt auf der Bühne und wartet auf deinen Besuch. Das Thema „Öffentliche Gelder“ interessiert mich zwar nur am Rande, bin aber stets interessiert diesbezüglich NEWS zu hören, man muss ja mitreden können;-)

    Bin gespannt, ob der Kiez so einen schönen, neuen Laden mit Kulturprogramm unterstützen wird, wenn auch nur durch den Konsum von Kaffee. Sonst muss es in Zukunft wohl doch eine Spielothek werden;-)) OhOhOh…

  6. 6
    Susanne says:

    Gestern einfach jede Menge los in Moabit – eins geht nur:
    Ich war bei der ersten Lesenacht im Cafe Moabit, es war wirklich super“
    Die vier Vorleser/innen haben es prima hingekriegt, ernst und schwer wurde von lustigen Texten wieder ausgeglichen. Mein Kompliment an: Uwe Hartig, Sonja Schernke, Matthias Rische und Verena Schneider!

  7. 7

    WgM arbeitet jetzt mit dem Runden Tisch Gentrifizierung vom Verein Moabit-ist-Beste zusammen. Hier könnt ihr dazu weiterlesen und kommentieren:
    http://wem-gehoert-moabit.de/2012/04-uns-gehort-moabit-zusammenarbeit-moabiter-gruppen-beim-runden-tisch-%E2%80%9Egentrifizierung/

  8. 8
    Rané says:

    Sehr interessant auch der Talk der Quartiersräte Moabit West und Ost am Sonntag, den 15.4.2012 ab 16 Uhr. Dann können wir darüber diuskutieren,wo Barthel in Moabit den Most holt. Freue mich auf Tanja, Norbert und Knut. Let`s rock, ist zwar eher global gemeint, aber wir sollten alle den provinziellen Abstieg unseres geliebten Berlins, in welchem Bezirk auch immer, zu verhindern versuchen. Überlege mir Aufkleber und anderes zu „Wowereit – nein danke“ !

  9. 9
    doa21 says:

    Donnerstag wieder Café Moabit von 12-19 Uhr (wie immer) + Freitag kann es eigentlich auch nur in die Emdner Str. 55 gehen:

    Live on Stage ab 19:30 Uhr:
    Dirk Bernemann – http://dirkbernemann.de/
    Stephen Blaubach – http://www.facebook.com/stephen.blaubach
    Janek Babiel – http://www.facebook.com/janekbabiel
    Martin Betz – http://www.facebook.com/martin.betz.96
    Manuel Goldbach (HEADVOICE)
    Mr. Whow – http://www.facebook.com/adrian.mathias.568
    HORTKIND – http://hortkind.com/
    MiggiRollz – http://www.facebook.com/MiggiRollz
    +
    Kapitän Kiez – http://www.cafemoabit.de

    BESTE!

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