Optimistischer Blick in Moabits Zukunft
Ephraim Gothe beim Stadtteilplenum Moabit West
Er kommt mit einer großen Rolle in den Raum, wie sie Stadtplaner und Architekten oft mit sich herumtragen müssen. Ephraim Gothe, 42 Jahre jung, hat gewissermaßen mit dem „neuen Berlin“ zusammen Karriere gemacht. Schon mit 30 Jahren begann er als Stadtplaner im Hauptstadtreferat der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen zu arbeiten, im Jahre 2000 wurde er persönlicher Referent des Senatsbaudirektors Hans Stimmann, 2004 übernahm er zusätzlich die Leitung der Architekturwerkstatt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und seit Oktober 2006 ist der Sozialdemokrat Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte. Das heißt, dass er seinen Blick stärker fokussieren, dass er nicht mehr für die ganze Stadt denken, sondern näher heran muss an den Hauptstadtbezirk, an dessen Provinzen, an die Quartiere, an die Kieze, an die Menschen. Und näher heran an die Details. Im März 2007 hat sich Ephraim Gothe im Stadtteilplenum Moabit West vorgestellt und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert.
Mitgebracht in der großen Rolle hatte Ephraim Gothe einen Stadtplan von Moabit, an dem er erläutert, welche Aufgaben er und seine Behörde unmittelbar vor sich sehen. Sehr viele Themen kommen im Laufe des Abends zur Sprache. Voraus geschickt hatte er eine Prognose für Moabit: „Dieser Stadtteil wird aufgrund seiner günstigen Lage in den nächsten Jahren auf viel Interesse, welcher Art auch immer, stoßen.“ Am Schiffbauerdamm sei es schon heute schwer, eine bezahlbare Wohnung zu finden, und er glaube fest daran, dass sich dieser Trend über Alt-Moabit fortsetze, dafür werde das Regierungsviertel und auch der Hauptbahnhof schon sorgen. Das könne wohl noch eine Weile dauern, doch „in zwanzig Jahren reden wir hier über Verdrängung.“
Medizin, Büros oder Kunst?
Gothe zeigt auf die enorme Brachfläche nördlich des Hauptbahnhofs – und auf der Karte von ganz Maobit sieht man, wie groß das Areal im Vergleich zu anderen Quartieren tatsächlich ist – und sieht das naturgemäß als ein Entwicklungspotential. Die Vorstellungen, und vor allem die Interessen, was aus einer auch noch so prominent gelegenen Fläche werden kann, gehen, wie sollte es anders sein, auseinander. Die Charité hätte gerne alles, was in ihrer thematischen Nachbarschaft liegt, also medizinische Wissenschaft,. Fachbetriebe, Kongresshotel und so weiter auch in ihrer räumlichen Nachbarschaft konzentriert. Andere würden gerne in Anlehnung an Schering ein Bürogebiet dort sehen, wieder andere weisen darauf hin, dass auch ein Kunst- und Kulturschwerpunkt denkbar sei, zwischen Hamburger Bahnhof und Lehrter Straße. Doch ein „sympathisches, innerstädtisches, urban lebendiges Viertel zu generieren“, so Gothe, „gelingt nur mit einem kleinteiligen Nutzungsmix.“ Das sei aber nicht leicht, denn „solche Häuser zu entwickeln, die höchst unterschiedlich genutzt werden können, das macht heute keiner freiwillig. Ich hoffe sehr, dass das gelingt, aber es ist ein schwieriger Prozess.“
Ein paar Krümel für Moabit?
Sollte es aber gelingen, werden auch die anderen Teile Moabits davon profitieren. Diese Art zu denken, kommt bei einigen Bürgerinnen und Bürgern weniger gut an. Das ist, um es mal freihändig zusammen zu fassen, für sie das alte Lied: Um alles, was Hauptstadt ist, wird viel in Gang und auf den Weg gebracht, aber für Moabit West fallen bestenfalls ein paar Krümel ab. Doch wann wird mal etwas extra für dieses Quartier getan? Es wurden viele weitere Themen angeschnitten, die Umgehungstraße an der Nordkante Moabits, der Quitzowstraße, und der Grünanlage, für die dort das grundstück schon gefunden wurde – „Wir haben uns vorgenommen, die mit einer starken Bürgerbeteiligung zu planen“ -, das Poststadion und der Fritz-Schloss-Park, das Paech-Brot-Gelände und das Schultheiß-Gelände, wo neue Einkaufs-Center geplant sind. „Es wird darum gehen, ob die Turmstraße als Einkaufsstraße wieder Auftrieb bekommt.“
Es werden zu all diesen Themen von den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur Bedenken geäußert, sondern auch Vorschläge gemacht. Gothe hört sie sich an und gesteht. „Ich weiß natürlich noch längst nicht alles über das Gebiet, Sie wissen sicher zwanzig mal mehr als ich.“ Er sagt aber auch. „Was nicht funktioniert ist, den Bezirk oder den Senat anzuschauen und zu sagen, wir wollen dies oder das. Was sich entwickelt, entwickelt sich aufgrund privater Initiativen. Die Stadt hat kein Geld und kann nur moderieren.“
Zum Schluss richtete Hartmut Eschenburg noch einen Appell an den neuen Stadtrat: „Dass Sie in Zukunft sehr viel an uns denken und uns mehr Aufmerksamkeit schenken, als uns in den letzten Jahren zuteil wurde.“ Natürlich ist sein Terminkalender immer voll, aber Ephraim Gothe kam nicht auf die letzte Minute und ging auch nicht mit seinem letzten Wort. So hörte er zu Beginn des Stadtteilplenums den Auftritt des Kinder-Schrottorchesters und er hörte die kurzen Berichte diverser Initiativen. Und so ging er auch nach dem Ende beim so genannten gemütlichen Teil ans Buffet und saß noch eine Weile mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen.
Text von Burkhard Meise, zuerst erschienen in der letzten Ausgabe von stadt.plan.moabit, Nr. 48, April 2007
Foto von Christoph Eckelt, bildmitte
Nachtrag:
Fünf Jahre war Bezirksstadtrat Ephraim Gothe im Amt. Zum Abschied hat Gertrud Völlering vom Berliner Abendblatt ihn nterviewt – so eine Art Bilanz seiner Arbeit und dem Umgang mit verschiedenen Bürgerinitiativen.
Im Tagesspiegel ist ein Portrait erschienen mit viel persönlichen Informationen über Gothe.
Nach zwei Jahren als Staatssekretär für Wohnen wurde Gothe im März 2014 überraschend von Stadtentwicklungsenator Müller entlassen und viele stadtpolitische Akteure haben das Gefühl einen Ansprechpartner verloren zu haben.
Presse zur Entlassung (Tagesspiegel, Berliner Zeitung, rbb abendschau, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung Kommentar)
Einladung zum Pressegespräch mit verschiedenen Gruppen und die Reaktionen der Presse (Berliner Zeitung, Neues Deutschland)
2016 ist Gothe der neue (alte) Baustadtrat im Bezirk Mitte, zu einigen seiner Vorschläge je ein Artikel im Tagesspiegel und in der Berliner Zeitung.
[…] Bezirksstadtrat Ephraim Gothe wird denn in einem Protokoll der Zukunftswerkstatt (pdf) auch mit sonderbaren Worten zitiert: Auf die Frage in der Diskussion, wie sich gewachsene Strukturen des Gebietes erhalten und soziale Verdrängungsfolgen einer Aufwertung vermeiden lassen, wird seitens des BzStR deutlich gemacht, dass Aufwertungsprozesse, wenn sie denn einsetzen (Moabit habe sich im Gegensatz zum Prenzlauer Berg in den vergangenen zwei Jahrzehnten noch nicht sehr gewandelt) per se nicht aufzuhalten seien, aber in der Lehrter Straße angestrebt wird, sie sozial- und nutzungsverträglich zu steuern und eine behutsame Entwicklung zu erreichen. […]
Das ist ein guter Kommentar! Hier wird der ehemalige Stadtrat zitiert, der die Quadratur des Kreises bewirken will. Nur WIE er das machen will (bzw. wollte), das sagt er nicht. Einerseits sind Aufwertungsprozesse „per se“ nicht aufzuhalten, andererseit will er sie in der Lehrter Straße (warum nur dort? – o.k. wahrscheinlich weil es aus einem Protokoll der Zukunftswerkstatt war, die sich nur darum drehte) sozial- und nutzungsverträglich steuern und eine behutsame Entwicklung erreichen.
Aber wie er das erreichen will, sagt er nicht.
Mit Neubauten? Mit einer mit öffentlichen Mitteln betriebenen Aufwertung von Fritz-Schloß-Park und Poststadion?
Die Politik sollte sich lieber mal lmit dem mietenpolitischen Dosser auseinandersetzen, dass vor etwa 10 Tagen im Roten Rathaus übergeben wurde:
http://mietenstopp.blogsport.de/images/Mietendossier2011.pdf
Da wird an vielen unterschiedlichen Beispielen aus mehreren Bezirken, die sehr unterschiedlich gelagerten Probleme der Nicht-Wohnungspolitik der letzten Jahre gezeigt.
Warum ist eigentlich keine Hausgemeinschaft aus Moabit dabei?
In der Melanchthon/Calvinstraße rumort es doch auch und was ist mit der Birken-/Perleberger Straße?
https://moabitonline.de/7241
https://moabitonline.de/7335
Ihr solltet Euch in das Berlinweite Bündnis einbringen!
Und als Staatssekretär nun ein ziemlich persönliches Portrait im Tagesspiegel:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/staatssekretaer-gothe-die-problemkieze-liegen-ihm-am-herzen/6067994.html