Erfahrungen mit einer Kampagne
Seit Monaten wird die Kampagne »Sie waren Nachbarn« vorbereitet, in den vergangenen Wochen nun ist die heiße Phase angelaufen. Interview mit einem der Organisatoren:
Wie ist der Stand der Kampagne?
Jetzt Ende September ist natürlich ganz viel zu tun. Es sind ja nur noch zweieinhalb Wochen bis zum Beginn, da stehen praktisch alle Arbeiten gleichzeitig an.
Was denn konkret?
Wir müssen uns um den Entwurf und die Herstellung der Plakate kümmern, die ja zentraler Punkt der Kampagne sind. Die Agentur hat nun die ersten der zehn Motive als Entwurf fertig, eine günstige Druck- doer Kopiermöglichkeit haben wir leider noch nicht gefunden.
Dann muss die Installation für ein großes Schaufenster in der Turmstraße aufgebaut werden. Material muss beschafft werden, weil wir dafür einen großen Rahmen bauen müssen.
Es müssen Kontakte hergestellt werden, und, und, und…
Habt Ihr Euch dafür im Vorfeld zu lange Zeit gelassen und nun kommt alles auf einmal?
Nein. Als Erstes stand ja das Zusammentragen der Informationen über die deportierten Juden an. Allein das hat mehrere Monate gedauert. Dass jetzt so viele Aufgaben anstehen, ist ganz normal, das meiste kann man ja nicht viel früher machen.
Werden diese Informationen alle auf den Plakaten veröffentlicht?
Nein, das sind nur wenige Opfer, die darin vorgestellt werden. Wir haben aber bereits eine Liste der Deportierten ins Netz gestellt, in der ihre persönlichen Daten stehen sowie das Datum der Deportation oder des Todes. Die kann man sich herunterladen. Aber sie werden auch noch in der Turmstraße öffentlich ausgehängt, es geht ja nicht um eine Online-Kampagne.
Wieviel Leute seid Ihr denn, steht da eine politische Organisation hinter?
Wir sind keine politische Gruppe, sondern einfach nur drei Freunde. Es ist also eine rein private Kampagne, wenn man so sagen kann. Aber natürlich haben wir Kontakt zu verschiedenen Gruppen aufgenommen, vor allem um an Informationen zu kommen und evtl. Unterstützung.
Hat das geklappt? Wie sieht die Unterstützung aus?
Wir haben im August mehr als 100 Initiativen und Betriebe wegen Unterstützung angeschrieben. Leider gab es darauf kaum Reaktionen. Nur wenige haben sich gemeldet, dass sie die Aktion gut finden und sie unterstützen möchten. Die haben wir auf unserer Website auch unter Sponsoren und Partner aufgelistet.
Wir haben auch die Schulleitungen aller Moabiter Oberschulen kontaktiert, auch von dort kam keine Antwort. Offenbar sehen die Rektoren das Thema als nicht so wichtig an, anders kann ich mir diese Ignoranz nicht erklären.
Selbst Firmen wie ein Baumarkt haben nicht reagiert. Eine sehr große Druckerei bedauert sehr… Das finde ich schon traurig. Dafür sind aber die positiven Reaktionen umso erfreulicher. Zum Beispiel hat sich die Agentur büro-d richtig reingehängt und viele gute Vorschläge gemacht. Der neue Eigentümer des Hertie-Hauses stellt uns für mehrere Monate ein Schaufenster zu Verfügung. Der Betroffenenrat Lehrter Straße hat unsere Aktion breiter bekannt gemacht.
Ich möchte noch dazu sagen, dass die meisten Spenden bisher von Privatpersonen kamen!
Wie genau soll denn die Kampagne ablaufen?
Vom 18. Oktober an sollen in ganz Moabit Plakate mit Einzelbeispielen von deportierten Juden aufgehängt werden. Sie sollen möglichst in allen Straßen zu finden sein. Dann gibt es das Schaufenster am U-Bhf. Turmstraße mit einer Installation. Dort wird auch die Liste mit den Deportierten gezeigt. Jeder kann dann nachlesen, ob auch dem eigenen Haus Juden ins KZ gebracht wurden.
Das Ziel ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was damals passiert ist. Und dass es ganz normale Menschen getroffen hat, nur weil sie Juden waren. Ansonsten waren es einfach nur Nachbarn, daher auch der Titel der Kampagne.
Wenn es danach weiteres Interesse gibt, wollen wir für die Errichtung eines Mahnmals direkt am Ort der Deportationen eintreten. Also an der Quitzowstraße, in der bisher nur eine Infotafel steht. Eigentlich sollte da schon vor Jahren ein Mahnmal errichtet werden, aber geschehen ist nichts.
Was wird am 18. Oktober geschehen, zum Start der Kampagne?
Wir überlegen noch, ob wir einen offiziellen, öffentlichen Start organisieren wollen. Das ist aber noch nicht entschieden.
Bei der letzten Sitzung des Betroffenenrats Lehrter Straße am 4. Oktober wurden verschiedene Ideen im Zusammenhang mit der Kampagne „Sie waren Nachbarn“ diskutiert.
1.800 deportierte Juden aus Moabit! Und wie viele Stolpersteine gibt es?
16 der Opfer lebten in der Lehrter Straße. Wir haben vor für Stolpersteine zu sammeln, bzw. die heutigen Bewohner/innen dieser Häuser anzusprechen, selbst Stolpersteine zu initiieren. Als Idee wurde eingebracht vorläufig erst einmal mit Goldlack und Schablonen (oder Stiften) zu arbeiten um so Erinnerungsspuren zu legen (provisorische Stolpersteine). Das könnte dann auch innerhalb der Kampagnen-Monate umgesetzt werden. Denn bis das Geld für Stolpersteine zusammen ist und bis der Künstler, Gunter Demnig, wieder in Berlin ist, das kann ja dauern.
http://www.stolpersteine.com/start.html
Eine andere Idee war die Route zur Quitzowstraße kenntlich zu machen.