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Loveparade – eine traurige Historie

Dieser Beitrag enthält neben einem Rückblick der Loveparade in Berlin auch einen kurzen Rückblick zur Katastrophe der Loveparade in Duisburg.

Mit 150 Teilnehmern auf dem Berliner Kurfürstendamm begann 1989 die Loveparade, die sich in den folgenden Jahren auf mehrere 10.000 Teilnehmer vergrößerte. Erfinder der Loveparade ist der DJ Dr. Motte. Mit ½ Mio. Teilnehmern 1995 gab es erstmals Schäden. Der Technoumzug wurde ab dem Jahr 1996 auf die Straße des 17. Juni im Großen Tiergarten verlegt. Mit bis zu 1,5 Mio. Teilnehmern wurde 1999 die Loveparade zum größten Massenevent in Deutschland (Berliner Morgenpost vom 26.4.2005).

Neue Jugendbewegung?

Die Loveparade wurde von der Politik instrumentalisiert, von Sponsoren mit bis zu Millionenbeiträgen gesponsert und in den Medien gefeiert. Eine Kostenbilanz der Love Parade GmbH für das Jahr 2000 enthält rund 4 Mio. DM Einnahmen, die zum größten Teil für die Geschäftsführung und Veranstaltungsdurchführung ausgegeben wurden (Berliner Zeitung vom 20.6.2001).

Für die Loveparade mussten jahrelang die Bilder der friedlich tanzenden Massen vor der Berliner Siegessäule stehen. Die Loveparade sollte ein Symbol der neuen Jugendkultur sein. Bereits seit den Jahren 2000/2001 ergaben Meinungsumfragen, dass die Loveparade ein reines Tourismusevent sei und dass die Berliner Jugend immer weniger daran teilnehme. Vom Feeling der Technogeneration der Anfangsjahre sei nicht viel übrig geblieben.

Negatives Image der Loveparade

Zur jährlichen Durchführung der Loveparade seit dem Jahr 1996 herrschte jedoch ein rechtsfreier Raum mit folgenden umfangreichen negativen Ereignissen:

Die Bilder der Müllberge und von Schäden im Großen Tiergarten gingen um die Welt. Im Großen Tiergarten wurde von den Behörden für rund 800.000 EUR Schäden (Zusammenstellung der jährlichen Schadensbilanzen durch das zuständige Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks) durch die Loveparade von 1996 bis 2003 und 2006 ermittelt. »Der Geschäftsführer von PlanetCom, Ralf Regitz, äußerte beim Runden Tisch des Berliner Senats folgendes: ‚Das Konzept des großen Tiergartens als Naherholungsgebiet für alle Berliner ist veraltet. Es müsse für den Tiergarten ein neues Konzept gefunden werden, da viele Großveranstalter diese Location nutzen wollen.’« (R. Blais: „Love Parade raus aus dem Tiergarten“, in: Stachelige Argumente 6/2000, Hrsg. B 90/Die Grünen Berlin)

Es gab Drogenhandel und Belästigungen der Anwohner im Umfeld der Parade. Sogar Überfälle und Unfälle mit Schwerverletzten und Toten gab es, die seitens der Politik und Medienöffentlichkeit als Begleiterscheinung sehr niedrig gehängt wurden. In der Kritik stand vielfach auch das Ballermann-Niveau der Loveparade.

Widerstand gegen die Loveparade

Bereits im Jahr 1996 hatten mehrere Initiativen aus dem Spektrum der Berliner Umweltorganisationen wie A.G.I.T., Anti-Tunnel-Bündnis, Baumpaten des Tiergartens, an der Paradestrecke protestiert. In den Jahren 2000/1 manifestierte sich der Protest gegen die Loveparade auch in Form von Demonstrationen. Eine zentrale Forderung war die Verlegung der Loveparade aus dem Großen Tiergarten heraus, z.B. auf andere große Alleen der Stadt oder auf das Flugfeld Tempelhof.

Wegen Bodenverdichtung durch im Tiergarten parkende Autos während früherer  Loveparade-Events kann das Gras der früheren Langgraswiese rur noch langsam wachsen (Tiergartenexkursionen2006).

Wegen Bodenverdichtung durch im Tiergarten parkende Autos während früherer Loveparade-Events kann das Gras der früheren Langgraswiese rur noch langsam wachsen (Tiergartenexkursionen2006).

Im Jahr 2001 musste der Veranstalter die Loveparade um eine Woche verschieben, weil die Bürgerinitiative „Rettet den Tiergarten vor der Love Parade“ Erstanmelder mit ihrer Demonstration zum Schutz des großen Tiergartens auf der Paradestrecke für den „Stammtag“ der Loveparade war. Auch die Aktion 2000 protestierte gegen die Loveparade am 7.7. und 21.7.2001. Im gleichen Jahr hat der Berliner Senat der Loveparade den Status als politische Demonstration aberkannt und erklärt, die Loveparade nur noch als kommerzielle Veranstaltung (was die Loveparade bei den Millionenumsätzen längst war) zu genehmigen. Die Veranstalter müssen genau wie z.B. Kirmesveranstalter für die Durchführung ihres Events und für die entstehenden Schäden voll bezahlen. Eine Klage der Loveparade-Veranstalter gegen den Status der kommerziellen Veranstaltung wurde vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Trotzdem stellte der Berliner Senat den Loveparade-Veranstaltern nicht alle Kosten in Rechnung – sondern schrittweise in einer Rahmenvereinbarung bis 2006.

Es war schon ein spannender Medienkrimi, die Proteste und negativen Begleiterscheinungen erhielten breiten Raum der Berichterstattung – während andere Journalisten immer noch an dem (niedergehenden) Event-Symbol festhielten. Für die damals in Berlin regierende Politik, insbesondere für deren CDU-Spitzen war die Loveparade das Veranstaltungszugpferd für Berlin, welches es immer zu unterstützen und zu verteidigen galt. Dies führte sogar so weit, dass gegen Loveparadekritiker der Berliner Staatsschutz eingeschaltet wurde (M. Pape. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ in: Rabe Ralf, April2001, Hrsg. Grüne Liga).

Niedergang der Loveparade

In den Jahren 2002/03 wurde die Loveparade kleiner und die Sponsoren immer weniger. In den Jahren 2004/05 fiel die Loveparade ganz aus. Im Jahr 2006 fand die Loveparade eine Woche nach Ende der Fußball WM auf dem abgesperrten Eventgelände statt. Mit einem neuen Großsponsor, der Fitnesskette McFit mit Rainer Schaller als Gründer und Geschäftsführer von McFit, konnte die Loveparade 2006 überhaupt durchgeführt werden. Rainer Schaller wurde schnell auch Chef der Loveparade-Veranstalter, der späteren Firma Lopaevents.

Im Jahr 2007 fiel die Entscheidung die Loveparade für fünf Jahre in fünf verschiedene Ruhrgebietsstädte zu verlegen. Der Berliner Senat praktizierte zuvor – auch auf Druck einer kritischeren Medienöffentlichkeit – eine strengere Handhabung (Erfüllung von Auflagen) zur Erteilung der Genehmigung für die Loveparade (Berliner Tagesspiegel vom 22.2.2007).

Der Förderverein Lokale Agenda 21 Berlin-Mitte e.V. erstellte im Jahr 2007 eine Ausstellung zum Großen Tiergarten, in der eine Ausstellungstafel Fotos der Loveparade und eine Schadensbilanz der Loveparade 1996-2006 enthält. Die Ausstellung wurde an einigen Orten im Bezirk sowie auf Straßenfesten gezeigt.

Die erste Loveparade im Ruhrgebiet am 25.8.2007 erschien in den Berliner Zeitungen nur noch in Kurzberichten – die Berliner weinten der Loveparade keine einzige Träne mehr nach! Die Loveparade fand in den Jahren 2007/8 in Essen und Dortmund statt. Die Stadt Bochum versagte 2009 die Genehmigung, weil kein geeignetes Gelände gefunden wurde.

Die Katastrophe der Loveparade am 24.7.2010 mit 21 Toten und ca. 500 Verletzten in Duisburg befindet sich immer noch im Ermittlungsstadium. Ein 400seitiger Bericht hierzu befindet sich bei der Landesregierung NRW unter Verschluss (Rheinische Post vom 11.7.2011). Die Loveparade 2011 in Gelsenkirchen wurde nach der Katastrophe von Duisburg sofort abgesagt. Einen Tag nach der Duisburger Katastrophe hat der Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller (Geschäftsführer der Firma Lopaevents) das Ende der Loveparade erklärt.

„Das Techno-Leben geht auch ohne die Loveparade in Zukunft weiter. Die Technokultur lebt natürlich weiter, und sogar besser ohne das sinnentleerte Image der Loveparade. Die Berliner Clubszene ist weit über die Grenzen des Landes ein Aushängeschild. Die Marke Loveparade als alles vereinendes Symbol und Zeichen der Erneuerung ist dagegen für immer beschädigt. Damit ist auch die Allmachtsfantasie der Loveparade geplatzt“, so die Einschätzung der Taz vom 29.7.2010.

Das politische Leben in der Stadt Duisburg ist auch ein Jahr nach der Katastrophe von den Folgen der Ereignisse bestimmt.

Weitergehende Informationen zur Geschichte der Loveparade 1989 – 2010 sind in der Wikipedia und zur aktuellen Situation und zu den Trauerfeiern zum Jahrestag in Duisburg im Portal der WAZ Mediengruppe DerWesten zu finden.

AutorInnen: Rudolf Blais und Margarethe Pape
Die Verfasser hatten sich in den Initiativen zum Schutz des Großen Tiergartens und für eine Verlegung der Loveparade aus dem Großen Tiergarten heraus engagiert.

9 Kommentare auf "Loveparade – eine traurige Historie"

  1. 1
    Aro Kuhrt says:

    Die Love Parade in Berlin war tatsächlich von vielen „Kritikern“ begleitet, von denen ich oft den Eindruck hatte, dass es ihnen weniger um die Bäume, als um ihre bürgerliche Ruhe ging. Sicher hätte man vieles besser organisieren müssen, das steht außer Frage. Trotzdem soll man wenigstens ehrlich sagen, dass man eben den Krach und die Musik nicht mag, anstatt zu behaupten, dass es ja „nur um die Natur“ geht.
    Man mag diese Kultur nicht mögen, aber dann muss man eben die persönlichen Konsequenzen ziehen. Mich nerven auch die tagelangen Straßensperrungen, die Karnevalsumzüge, Laufveranstaltungen usw. Trotzdem muss ich sie eben hinnehmen.
    Die großzügige Schein-Toleranz („Ihr dürft ja feiern, aber doch nicht so laut“) habe ich damals im Taxi immer wieder gehört. Scheiß drauf. Warum sollen eine Million Menschen nicht friedlich Party machen dürfen? Und dass es dabei auch mal zu Zerstörungen und Verletzungen kommen kann, ist bei solch großen Veranstaltungen normal, das kenne ich auch von Wacken oder Roskilde. (Damit meine ich nicht die Toten von Duisburg, das war einfach nur katastrophal organisiert).
    Ich halte die Love Parade für eine großartige Bereicherung des Lebens in unserer Stadt.

  2. 2
    K. S. says:

    Nee, Aro, man sollte schon differenzieren dürfen, ob es der Mehrzahl der Teilnehmer einer Großveranstaltung noch um den Inhalt geht oder um das Saurauslassen! Es war hier nicht so, dass Kritiker überwiegend auf Grundlage ihres eigenen Musikgeschmacks die Form attackierten. Ich kann mit Hipf-Hopf zwar tatsächlich nicht viel anfangen, trotzdem fand ich die Love Parade ab etwa 1996 vor allem wegen Müll und Urin total daneben. Ich interessiere mich zum Beispiel auch kaum für Profifußball, trotzdem hielt ich die sich gegebenfalls anschließenden türkischen Hupkorsi im Gegensatz dazu ganz amüsant.

  3. 3
    Rané says:

    Der Verlust der „Heimatklänge“ ist weitaus größer. Die „Loveparade“ war später ja auch eher eine „Drug-Parade“, was natürlich nicht in den Medien gezeigt wurde. Und bei dieser Musikrichtung gibt es zum Glück nun auch kreativere Variationen und nicht nach dem Motto „ick hau mal mit meiner Software ein paar beats zusammen, Hauptsache es „bummert“. Mein Nachtrag ist eher eine Hommage an alle medizinischen HelferInnen, die während der „Loveparade“ Schwerstarbeit leisten mussten.

  4. 4
    Zeitungsleser says:

    … und nun aus Sicherheitsgründen (?) der Ausbau der Straße des 17. Juni zur Partymeile:
    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/fanmeile-14-millionen-fuer-mehr-sicherheit,10809148,21322662.html
    von den schlappen 14 Mio. Euro zahlt ja 90% die EU – wie kommt man nur auf diese Idee?

  5. 5
    bundesseppl says:

    Verehrter „Zeitungsleser“. Ihren Kommentar kann ich entnehmen, dass sie einen Aus- oder auch Umbau für keine gute Idee halten! Für alle, erst Recht Großveranstaltungen, gilt es, einen Sicherheitsstandart einzuhalten. Der ist für sie offensichtlich nebensächlich! Das ist nicht nur unverantwortlich, dass ist auch dumm. Denn Duisburg sollte für uns eine ständige Warnung sein. Auch wenn hier die örtlichen Gegebenheiten, zu mindestens auf den ersten Blick, ein derartiges Szenarium nicht zulassen. Aber ausgelassene Fans oder Besucher von sonstigen Großveranstaltungen sind in ihrer Verhaltensweise leider nicht berechenbar. So oder so muss also für ihre Sicherheit gesorgt werden!

  6. 6
    Zeitungsleser says:

    @bundesseppl,
    das hängt davon ab, wie es geschieht. Ein guter Sicherheitsstandard ist wichtig, aber genau das war ja bei der Love-Parade auf der Straße des 17. Juni eben gerade gar kein Problem, da ja zu allen Seiten alle Fluchtwege offen waren. Und deshalb auch mein Fragezeichen hinter „aus Sicherheitsgründen“.
    Ich sehe nämlich eigentlich in den Baumaßnahmen eher eine Infrastrukturmaßnahmen, versenkbare Zäune, das ist das einzige, was hier vielleicht sicherheitsrelevant ist. Aber sonst geht es meiner Meinung nach mehr um den Ausbau der Party-Infrastruktur mit fest verlegten Wasserleitungen und Toiletten usw.

    Wenn diese Baumaßnahme wirklich dazu dient, das Grün des Parks zu schonen, dann finde ich es schon o.k., aber ein bisschen bezweifle ich das. Denn noch mehr Parties tuen dem Park, ob mit oder ohne Ausbau bestimmt nicht gut.

    In den BVV-Unterlagen findet sich jetzt übrigens die Beantwortung einer Kleinen Anfrage (Nr. 0391/IV):
    http://www.berlin.de/ba-mitte/bvv-online/ka020.asp?KALFDNR=1475

  7. 7
    H. E. says:

    Man sollte die Straße so lassen, wie sie ist, diese abartig großen und gefährlichen Touri-Events abschaffen und statt dessen die Straße des 17. Juni regelmäßig an Sonntagen für Autos sperren.

    Das wär was für viele Berliner, schont die Umwelt und kostet so gut wie nichts. Und für die 14 Mio. könnte man viele, viele desolate Schultoiletten sanieren und Turnhallen reparieren.
    Hoffen wir, dass wieder etwas mehr Sinn für Notwendigkeiten eintritt, wenn demnächst jemand abdankt.

  8. 8
    Zeitungsleser says:

    @ H.E.,
    leider kann man mit Mitteln aus der Tourismusförderung wohl kaum Schultoiletten sanieren!

  9. 9
    Rudolf Blais says:

    Taz Wocheendbeilage „Friede, Freude, Eierkuchen“ vom 28.6.2014 auf Seite 44-47

    Der Gründer der Berliner Loveparade Matthias Roingh, sein Dienstname Dr Motte nimmt zur Geschichte der Loveparade in einem Interviw in der genannten Wocheendbeilage auf Seite 46-47 Stellung. Siehe in

    http://www.taz.de/Dr-Motte-zum-Loveparade-Jubilaeum/!141284/

    Titel: Dr. Motte zum Loveparade-Jubiläum
    „Wir wollten diese Beglückung“

    Die Autoren dieses Moabitonline-Blog haben dazu ihre Stellungnahme abgegeben, die unter den Kommentaren unter dem genannten Beitrag auf Taz-Hompage zu finden ist.

    Rudolf Blais

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