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Mahrem – Anmerkungen zum Verschleiern

Mit einer Untersuchung der Konzepte von Verbergen und Enthüllen, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Öffentlichkeit und Privatheit hinsichtlich der andauernden Diskussionen um den Schleier versucht die Ausstellung Mahrem im noch neuen Projektraum Tanas mittels der Arbeiten von zehn Künstlerinnen und Künstlern einige unterschiedliche Sichtweisen zu entfalten, die sich auf das islamische Gebot der Bedeckung und dessen öffentliche Wahrnehmung beziehen.

Die türkische Soziologin Nilüfer Göle hat die Ausstellung, die zuvor schon in Istanbul und Wien zu sehen war, konzeptioniert:Chelgis „Die Verschleierung von Frauen ist für viele eines der sichtbarsten Zeichen des Islam, nicht nur in Ländern mit muslimischer Mehrheit sondern auch in europäischen Ländern. Um die islamische Verschleierung kristallisieren sich heute unzählige neue Spannungen zwischen Religion und Säkularismus, Frömmigkeit und Politik, Feminismus und Islamismus heraus. Vor allem aber verweist sie auf die Zentralität der Fragen von weiblichem Körper und Sexualität in der Organisation des öffentlichen Lebens. Sie zeigt nicht nur eine persönlich verkörperte Praxis auf, sondern ist zugleich ein Symbol, das den Anderen im öffentlichen Bereich übermittelt wird. Die Bedeutung, die Frauen unbewusst der islamischen Verhüllung zuweisen und die öffentliche Wahrnehmung stimmen möglicherweise nicht überein. Diese Kluft und (Fehl-)Kommunikation zwischen dem Persönlichen und dem Öffentlichen macht deutlich, dass eine sozialwissenschaftliche Betrachtung und visuelle Darstellung notwendig ist.“ Nilüfer Göle lehrt Soziologie an der „Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales“ in Paris. Mahrem – Anmerkungen zum Verschleiern wurde von ihr als visuelle Komponente der ersten Ausgabe ihres Projekts „Non-Western Modernities“ gedacht, einer jährlichen Folge von Workshops und Podiumsdiskussionen.

Chelgis, das Mädchen mit den vierzig Zöpfen, ist das Werk von Mandana Moghaddam. Sie lehnte sich dabei an ein uraltes iranisches Mythos an, in dem die Geschichte eines schönen Mädchens erzählt wird, das von einem Schakal in einem paradiesischen Garten gefangen gehalten wird. Das Mädchen bekommt ihren Kerkermeister nie zu Gesicht, man sagt aber, dass dieser einen Fluß umgeleitet habe, damit die Menschen dessen Wasser nicht nützen können. Um den Schakal zu töten, ein Wesen aus Messing, muss man seinen Zauber brechen. Ausgestellt ist eins der Werke der vierteiligen Serie.

Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist ein Video von Samer Barkaoui, das zwei verschleierte Frauen, die von einer dritten fotografiert werden, zeigt. Nach der ersten Aufnahme ersetzt einer der Posierenden die Fotografierende, die nun wiederum ins Bildfeld kommt und für die Kamera posiert. Der Prozess wiederholt sich in einer Endlosschleife und jedes Mal ist das letztendliche Bild das Gleiche.

Ein Video von Nezaket Ekici zeigt die Fingerfertigkeit und Ästhetik beim Anlegen eines Kopftuches in einer Sequenz beim Aufsetzen von 25 Kopftüchern, eins über das andere, jedes in unterschiedlichem Stil.

Vom in Berlin lebenden und aus dem Iran stammenden Shahram Entekhabi sind u.a. Poster aus der Serie „Das kleine Schwarze“ zu sehen. Darin verschleiert Entekhabi alle weiblichen Gesichter und Körper, die auf Miniaturen, Postkarten, Webeanzeigen oder Werbepostern dargestellt werden.

Und noch viel mehr spannende Sachen sind in der Ausstellung unter den Schleiern zu entdecken, und dies lässt sich noch bis zum 16. August machen im Projektraum TANAS, Heidestraße 50, 10557 Berlin. Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 11 – 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Teilnehmende KünstlerInnen der Ausstellung sind Kutlug Ataman (Türkei), Samer Barkaoui (Syrien), Samta Benyahia (Algerien/Frankreich), Nezaket Ekici (Türkei/Deutschland), Shahram Entekhabi (Iran/Deutschland), Bruna Esposito (Italien), Parastou Forouhar (Iran/Deutschland), Shadi Ghadirian (Iran), Mandana Moghaddam (Iran/Schweden), Ebru Özseçen (Türkei/Deutschland), Kurator der von Nilüfer Göle konzeptionierten Ausstellung ist Emre Baykal.

Der Projektraum Tanas wurde im März 2008 eröffnet. Er teilt sich eine Fabriketage zusammen mit der Edition Block, die Werke von John Cage, Ayse Erkmen, Sejla Kameric, Jaroslaw Kozlowski, Olaf Metzel, Bülent Sangar, Carles Santos ausstellt. Beides liegt damit in dem neuen hippen Zentrum der „Heidestraße-Galerien“ und der „Halle am Wasser„. Mit dem Projektraum Tanas sollen die fortlaufenden Entwicklungen der zeitgenössischen türkischen Kunst weiter verfolgt und in Berlin präsentiert werden – in enger Zusammenarbeit mit türkischen Kulturschaffenden und unabhängig von repräsentativen Pflichten. Tanas versteht sich als Plattform der kontinuierlichen Auseinandersetzung und regelmäßigen Interaktion von türkischen Künstlern und Kuratoren mit dem deutschen und internationalen Publikum.Das Wort TANAS ist übrigens ein Anagramm von Sanat, dem türkischen Wort für Kunst. Der Projektraum Tanas wird von René Block betreut, der damit seine langjährige Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst aus der Türkei fortführt. Bereits 1994 präsentierte er mit Iskele – Türkische Kunst (ifa-Galerie, Stuttgart) einen Überblick über eine damals noch unbekannte Szene. 1995 setzte er unter dem Titel Orient/ation neue Maßstäbe für die Istanbul Biennale und 1998 folgte die Ausstellung Iskorpit – Aktuelle Kunst aus Istanbul (Haus der Kulturen der Welt, Berlin). Zurzeit ist René Block zudem mit der Herausgabe einer Reihe von Monografien über türkische Künstler beim YKY Verlag, Istanbul, betraut.

Tanas entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Vehbi Koç Foundation in Istanbul. Die Vehbi Koç Foundation fördert Projekte im edukativen, sozialen und kulturellen Bereich und gründete 1980 mit dem Sadberk Hanim Museum das erste private Museum der Türkei.

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