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Sie provozieren, also sind sie! Interview mit Elmar Lerch

Lerch ist als Spielplatzbetreuer ehemaliger Mitarbeiter von Olle Burg e.V. in Moabit. Wir waren neugierig auf das Geheimnis, das ihn in den Augen der Kinder und Jugendlichen in kurzer Zeit zum „König des Stephanplatzes“ werden ließ. Das Gespräch führte Susanne Torka.[…]

Du bist durch das 100.000 Euro-Projekt im Sommer 2006 als Spielplatzbetreuer auf den Stephanplatz gekommen und hast sofort Zugang zu den teilweise schwierigen Kindern und Jugendlichen dort bekommen. Wie hast Du das geschafft?

Elmar LerchHauptsächlich durch Erfahrung. Ich arbeite ja schon lange in Moabit in der Waldstraße. So verschieden sind die Kinder und Jugendlichen aus dem Beusselkiez und aus dem Stephankiez nicht. Meine Methode nenne ich ‚kontrollierte Toleranz‘. Die Provokationen, die die Kids draufhaben, muss man erst mal aushalten. Da bin ich abgehärtet. Ich lasse ihnen ihre extremen Verhaltensweisen und versuche nicht, sie zu verbiegen. Ganz wichtig ist auch, dass ich ein guter Fußballspieler und Trainer bin. Das bringt Respekt, aber hilft auch ganz praktisch. Wenn wir uns stundenlang auf dem Bolzplatz ausgetobt haben, dann gehen auch die wildesten Kerle abends müde und friedlich nach Hause. Und ein weiterer Pluspunkt ist meine ‚Berliner Schnauze‘. Mich kann man nicht in die intellektuelle Ecke schieben. Viele Erzieher und Lehrer scheinn vergessen zu haben, wie sie selbst in ihrer Jugend waren und ziehen über die Jugendlichen von heute her.
Ich war auch ein Rowdy, bin mit sechzehn von zu Hause weg und wurde Hausbesetzer. Dass ich ein ‚Sport-Ass‘ war, hat mir weitergeholfen. Schon mit zwanzig wurde ich Betreuer für Drogenabhängige und Schwererziehbare als Fußball- und Volleyballtrainer. In Portugal habe ich mit wirklich schweren Fällen gearbeitet.

Was möchtest Du mit Deiner Arbeit erreichen?
Ich möchte beitragen zu einer besseren Atmosphäre im Kiez, zu gewaltfreiem Miteinander und zur Wertschätzung von Dingen. Damit meine ich, dass die Wegwerfgesellschaft nicht alles durchdringt. Mit dem Fahrradprojekt hat das gut geklappt. Seit die Kinder gelernt haben ihr Fahrrad selbst zu reparieren und zu verbessern, behalten sie es auch und die Klauerei hat fast aufgehört. Ganz besonders wichtig ist mir auch die Außenseiter zu schützen und in die Gruppe zu integrieren. Leider ist das nach unten treten und Schwächere fertigzumachen in der Gesellschaft weit verbreitet. Doch es gelingt vorsichtig gegen zu steuern. Viele Sanktionsmöglichkeiten für Fehlverhalten gibt es in der offenen Arbeit nicht. Man kann Kinder wegschicken, die Mist gebaut haben. Meist bleibt es bei der Androhung oder dem Ausschluss für den einen Tag. Besser ist es ihnen zu verzeihen und immer wieder eine neue Chance zu geben.

Zuerst erschienen in LiesSte, Zeitung für den Stephankiez, Nr. 2 Oktober 2007.

3 Kommentare auf "Sie provozieren, also sind sie! Interview mit Elmar Lerch"

  1. 1
    Kira M. says:

    Meines Wissens existiert bereits ein neues, ebenso aussagekräftiges, hochgradig informatives Interview mit Elmar Lerch. Schön wäre, wenn man es, im Rahmen der Aktualisierung, hier hätte lesen können. Wen es interessiert: In der Bücherei, Perleberger Straße 31, erwischt man mit viel Glück ein Exemplar der Stadtteilzeitung Lieste, in der das Interview zu lesen ist.

  2. 2
    Stephan says:

    Die aktuelle Ausgabe von LiesSte gibt es immer als PDF oder Online zu lesen
    auf http://www.stephankiez.de

  3. 3
    Susanne says:

    Und wenn mann keine Lust hat in den 16 Seiten von April zu suchen, dann findet man das Interview mit Elmar über Fußball hier:
    http://www.stephankiez.de/Publish/page8.html

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