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Fahrradweg Stromstraße wird erneuert

Der Radweg auf der westlichen Seite der Stromstraße wird zurzeit zwischen Alt-Moabit und Lessingbrücke erneuert und dabei verbreitert. Schon im vergangenen Jahr mussten mehrere geschädigte Straßenbäume auf diesem Abschnitt gefällt werden. Erstaunlich für Moabit – es gab deshalb keine Proteste. Aber einige Bäume nahe der Kreuzung mit Alt-Moabit konnten stehen bleiben.

Für den Fit-Fahrradladen in der Stromstraße 65-66 wird es deshalb in Zukunft eng. Bisher konnte er vor seinem Geschäft Fahrräder quer zum Gehweg rausstellen. Das wird nach Fertigstellung der Baumaßnahmen nicht mehr möglich sein. Eine Geschichte – von zwei verschiedenen Seiten aus betrachtet.

Herr Duymaz, der Vater des Geschäftsinhabers, berichtet: „Unser Anwalt, Christoph Müller aus der Turmstraße, hat einen Brief ans Bezirksamt geschrieben. Wir hatten doch eine Genehmigung unsere Fahrräder aufzustellen und dann ist da plötzlich die Baustelle. Keiner hat uns vorher Bescheid gesagt.“ Rechtsanwalt Müller: „Ich habe Akteneinsicht verlangt. Außerdem müsste doch bei der Widerrufung einer Sondernutzungserlaubnis deren Inhaber angehört werden.“ Herr Pein, der zuständige Mitarbeiter des Straßen- und Grünflächenamtes verabredete einen Ortstermin, der am 24. April stattfand. Er erklärte die Gründe für den Verlauf des Radweges. Vor den Häusern, in dem der Fahrradladen ist und wo auch noch einige alte Straßenbäume stehen, verläuft er gerade und ist 2 Meter breit. An anderen Stellen und im weiteren Verlauf bis zur Brücke beträgt die Breite nur 1,80 Meter. Aber können diese 20 Zentimeter so einen großen Unterschied machen? Für den Gewerbetreibenden und seinen Anwalt schien es eigenartig, dass gerade an dieser Stelle der Radweg am breitesten werden soll.

Herr Duymaz erzählt von diesem Ortstermin: „Der Mitarbeiter hat sich entschuldigt, dass er uns nicht über die Baumaßnahme informiert hat. Er sagte, er wolle uns helfen. Wir könnten die Fahrräder vielleicht auf der Fläche zwischen den Bäumen aufstellen. Er wollte sich dafür einsetzen und auch Poller aufstellen lassen, damit keine Autos darauf parken.“ Rechtsanwalt Müller ergänzt: „Und dann kommt einen Tag später eine Mail, dass die Ausnahmegenehmigung mit sofortiger Wirkung widerrufen sei und die Ersatz-Stellfläche neu beantragt werden müsse, er aber nicht garantieren könne, ob das dann auch genehmigt wird. Das ist ganz schlechter Stil: erst Beteiligungsrechte übergehen, dann die Genehmigung widerrufen.“

Der Fahrradhändler hat sich durch dieses Verhalten richtiggehend veräppelt gefühlt: „Wie kann jemand sagen, dass er uns helfen will und dann so was? Unser Geschäft platzt aus allen Nähten, selbst der Keller ist voll von Gebrauchträdern. Wir können keine Aufträge mehr annehmen, weil wir nicht wissen, wohin mit den Rädern.“ A. Duymaz hat sein Fahrradgeschäft 2010 eröffnet. Es läuft gut. Bevor er den Laden aufgemacht hat, standen die Räume sechs Jahre lang leer.

Szenenwechsel: Termin im zwölften Stock des Rathaus Mitte fast einen Monat später, am 23. Mai. Vorher waren einige Hindernisse zu überwinden, Herr Pein brauchte eine Genehmigung um mit der Presse sprechen zu dürfen. Er erklärt die Ausführungsplanung für den Radweg, die bereits am 24. Mai 2016 fertig wurde: „Als Gruppenleiter für Straßenunterhaltung, wozu auch die Radwegesanierung gehört, kann ich auf Mittel der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) zurückgreifen, die je angemeldete Baumaßnahme maximal 100.000 € zur Verfügung stellen. Es gibt ein Gesamtbudget für Berlin. Welcher Bezirk rechtzeitig Maßnahmen dort anmeldet, kann pro Jahr so einige Radwege sanieren.“

Es werden vorrangig solche Radwege saniert, auf denen häufig Unfälle passieren, z. B. weil sie durch Wurzeln uneben geworden sind. Das war auf diesen Abschnitten der Fall. Zwischen der Lessingbrücke und kurz vor der Einmündung in die Altonaer Straße ist der Radweg schon auf beiden Seiten saniert.

Für den jetzigen Bauabschnitt gab es verschiedene Varianten, eine davon hätte den Radweg auf die Fahrbahn verlegt. Das wurde aber von der Verkehrslenkung Berlin (VLB) nicht genehmigt, weil sie meinte, dass dadurch der Platz für den Autoverkehr zu stark eingeschränkt würde.

Bei einer solchen Planung müssen viele unterschiedliche Aspekte beachtet werden. Geh- und Radwege sollen möglichst parallel geführt werden. Zusätzlich sind auch noch die sogenannten Ober- und Unterstreifen zu beachten, weil sie zu einem berlintypischen Gehweg dazu gehören (s. Ausführungsvorschriften für Geh- und Radwege). Neue Radwege sollen eigentlich 2 Meter breit sein. Das wurde hier auch versucht, war aber nicht durchgehend möglich, da sonst der Gehweg an einigen Stellen zu schmal geworden wäre. So ist der Radweg meist 1,80 Meter breit.

Wenn man sich den Plan der gesamten Baumaßnahme anschaut, kann man gut erkennen, dass die Häuser von Süden nach Norden, also von der Brücke nach Alt-Moabit, immer weiter von der Fahrbahn zurückgesetzt liegen, so dass dort Platz für Straßenbäume und einen breiteren Radweg vorhanden ist. Hier liegt ausgerechnet der Fahrradladen.

Warum gibt es dann diese Kurven oder Verschwenkungen im Radweg? Sie kommen wegen der Straßenkreuzungen und der Straßenbäume zustande. Radwege sollen die Querstraßen, in diesem Fall die Essener Straße, möglichst dicht an der Fahrbahn kreuzen, damit die Radfahrer gut von Abbiegen wollenden Autofahrern gesehen werden können. Der Gehweg auf der gesamten Strecke wird durchgehend 1,75 Meter breit, das ist eher schmal. Er wirkt an einigen Stellen aber breiter, weil es auf dem Streifen vor den Häusern noch einige unterirdische Einbauten gibt.

Zum Konflikt mit dem Fahrradladen erklärt Herr Pein: „Es ist mir noch nie passiert, dass ich vergessen habe, anliegende Geschäfte über die anstehenden Baumaßnahmen zu informieren. Das tut mir leid. Wir waren immer um 7 Uhr morgens mit unseren Plänen vor Ort, deshalb sind uns die Fahrräder nicht aufgefallen.“ Die Ausnahmegenehmigung für das Aufstellen der Fahrräder galt noch bis Ende Juli 2018 und jetzt ist ein komplett neuer Antrag notwendig. Warum? „Das sind verschiedene Arten von Genehmigungen. Ausnahmegenehmigungen zum Herausstellen von Waren im Abstand von etwa einem Meter zur Hauswand – in diesem Fall waren 1,50 Meter genehmigt – kosten eine geringe Verwaltungsgebühr und können jederzeit widerrufen werden. Für die Fläche zwischen den Bäumen muss eine Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes beantragt werden, die nach Quadratmetern berechnet wird. Das kann ich nicht zusagen, denn dafür sind andere Kollegen zuständig. Ich verstehe eigentlich nicht, warum der Streit so eskaliert ist, denn ich habe alles genau erklärt und hatte auch die Akten dabei. Der Rechtsanwalt wollte sie dann aber gar nicht sehen.“

Die Bezirke haben die Verkehrssicherungspflicht. Wenn Unfälle passieren, werden sie immer mal wieder verklagt. Herr Pein scheint sich dieser Verantwortung sehr bewusst zu sein: „Schlechte Radwege in meinem Zuständigkeitsbereich rauben mir buchstäblich den Schlaf. Wenn ein Unfall passiert ist, schaue ich mir die Situation immer genau an. Ein Telefonat mit dem Ehemann einer auf einem Radweg verunfallten Frau wird mir immer im Gedächtnis bleiben. Er sagte mir: ‚Schauen sie sich die Stelle genau an, da liegen noch die Zähne und das Blut meiner Frau.‘ Dabei war der Radweg völlig in Ordnung, aber eine Baufirma hatte ohne Genehmigung eine Leitung gelegt und mit Holzbohlen eine Überfahrt gebastelt.“

Nun kann man gut verstehen, dass das Verhalten, das Fahrradhändler und Rechtsanwalt mitbekommen haben, zur Verärgerung geführt hat. Hoffen wir, dass ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss gefunden wird. Kleingewerbetreibende haben es nicht leicht, aber schließlich kann ein Fahrradhändler wohl kaum gegen die Erneuerung eines Radweges sein und andere Händler verfügen meist auch nicht über eine Aufstellfläche für die Räder auf öffentlichem Straßenland.

16 Kommentare auf "Fahrradweg Stromstraße wird erneuert"

  1. 1
    Albrecht says:

    Das eigentliche Ärgernis ist für mich, dass hier keine Radspur auf der Fahrbahn geschaffen wird. Immer wieder die berüchtigte VLB, für die der Autoverkehr stets Vorrang hat, Fahrräder nicht zählen und Fußgänger sowieso an allerletzter Stelle kommen. Der Bürgersteig ist und bleibt da viel zu eng, jeden Morgen kommen sich die Radler und die vielen Kinder auf dem Weg zur Hansaschule in die Quere.

  2. 2
    Franz says:

    @1 Sie können und dürfen doch auch direkt auf der Straße Fahrrad fahren. Zudem ist die Schadstoffbelastung für Radfahrer geringer, je weiter sie entfernt sie Kraftfahrzeugverkehr unterwegs sind. Wo also ist das Problem?

  3. 3
    Franz says:

    Kleine Korrektur. Es muss natürlich heißen: „… je weiter entfernt sie vom Kraftfahrzeugverkehr unterwegs sind“. *kopfschüttel

  4. 4
    Vilmoskörte says:

    zu 2: Wenn der Radweg 1,80 breit ist, wird er wahrscheinlich mit Zeichen 237 als benutzungspflichtig ausgewiesen. Dann dürften Radfahrer die Straße hier nicht benutzen. Aber was interessieren den gemeinen Berliner Radfahrer schon Gebote und Verbote …

  5. 5
    Albrecht says:

    @2: Ich fahre da auch auf der Straße, aber viele Radler trauen sich das aus gutem Grund nicht, v.a. Ältere und Unsichere. Die kommen sich mit dem überfüllten Gehweg ins Gehege.
    Dieses „Wo ist das Problem“ ist die Perspektive der Fitten, Tapferen.

  6. 6
    Ariane says:

    @1 – ich bin ein überzeugter Radler, und begrüße jeden Radweg, der auf dem Gehweg ist, statt (Bsp. Turmstrasse) auf der Autofahrbahn eingezeichnet wird. Denn letzterer Variante wird eigtl. immer als zusätzlicher PArkplatz umgedeutet. Zudem fühle ich mich bei Strassen, wie der Stromstrasse, wo die Autos mit hohem Tempo fahren, nicht sicher, da diese, sollten sie versuchen, in einer Unfallsituation mit einem anderen Auto zu reagieren, zwangsläufig auf den Fahrradweg zusteuern werden. Habe das auch schon beobachtet. Daher: Super, dass der Fahrradweg ein Stück weit auf dem Gehweg ist! (oder anders: es gibt zu dem Thema einfach verschiedene Ansichten).

  7. 7
    Franz says:

    @5 Also ich hätte eigentlich eher Bedenken Ältere und Unsichere auf einen fahrbahngeführten Angebots- und Radstreifen zu zwingen. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Kraftfahrzeugverkehr ist das Fahren hier alles andere als risikolos; oft fahren Autos oder Lkw sogar besonders dicht an die Schutzstreifen heran, weil sie glauben, der Mindestabstand zum Überholen von Fahrradfahrern gilt hier nicht. Es ist anzunehmen, dass dieser Tatbestand vielmehr abschreckend auf den genannten Personenkreis wirkt. Bedingt durch die fehlende Fahrpraxis könnten kritische Situationen letztlich fatale Folgen haben.

    Ich halte das Fahrradfahren auf gehwegbegleitenden Radwege daher für zweckmäßiger; zumal ungeübte Personen ohnehin recht langsam radeln. Insofern erscheint die Konfliktlage auf dem Gehweg durchaus überschaubar.

  8. 8
    Albrecht says:

    @Ariane und @Franz: Da haben Sie beide Recht und die Zustände auf dem Radstreifen in der Turmstraße sind skandalös. Man kann aber Radstreifen auf der Fahrbahn baulich absetzen (Protected Bike Lane), so dass gar kein Auto rauffahren kann.
    Ich bin nur dagegen, immer Fußgängern Platz wegzunehmen.

  9. 9
    Martin D. says:

    @7 Leider stimmt das mit dem nicht einzuhaltendem Mindestabstand bei Fahrrad- und Angebotsstreifen, da diese eine eigene Fahrbahn darstellen, daher sollte solche Streifen mindestens 2m, besser 2,5m breit sein.

  10. 10
    Franz says:

    @9 Nur der Vollständigkeit halber:
    Bei Radstreifen sollte die Breite mind. 1,85 m betragen (einschließlich Breite des Zeichens 295). Die Mindestbreite beträgt 1,50 m. Schutzstreifen sind in der Regel 1,50 m breit anzulegen, mindestens aber 1,25 m; gemäß der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (https://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehrsanlage).

  11. 11
    Martin D. says:

    @10, wobei ich die Breiten der Empfehlungen für zu gering erachte, die sind ein eher fauler Kompromiss.

  12. 12
    vilmoskörte says:

    zu 11: Ich würde gleich 3,50 als Mindestbreite fordern, damit auch von der Spur abkommende alkoholisierte Radfahrer oder – noch häufiger anzutreffen – solche, die beim Fahren auf ihr Smartphone starren, SMS lesen oder schreiben oder nachschauen, was in ihren Whats-App-Gruppen so passiert, besser gegen die bösen Autofahrer geschützt werden.

  13. 13
    Martin D. says:

    @12 Was soll der Unfug, ich bin besseres von Ihnen gewöhnt.

  14. 14
    Netzgucker says:

    Ein guter Vorschlag, auf welche Weise zugeparkte Radspuren von den Verkehrshindernissen befreit werden können, den man auch in Moabit anrwenden könnte:
    https://www.autofreies-kreuzberg.de/radwege-frei.html

  15. 15
    Albrecht says:

    @14 Hallo Netzgucker, vielleicht sollten sich mal ein paar Moabiter Radfahrer zusammenschließen, um mal was gegen die unmögliche Situation in der Turmstraße und anderswo zu unternehmen? Vielleicht gemeinsam mit ADFC Mitte (https://adfc-berlin.de/aktiv-werden/in-deinem-bezirk/mitte.html)?
    Erst gestern ist eine Autofahrerin auf die Radspur raufgefahren und hat eine Radfahrerin umgeholzt, siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-tiergarten-radfahrerin-von-auto-erfasst-und-schwer-verletzt/21003944.html

  16. 16
    Uwe Hatscher says:

    Wenn jetzt noch ein Fahrradhändler gegen Fahrradwege ist…
    Im Nachhinein wird er wohl sagen, dass es besser gar nicht gehen konnte. Hat er doch jetzt die bestmögliche Anbindung seiner Kunden, die in wachsender Zahl vor einrollen und bei Bedarf gerne anhalten.

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