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»Berlin spielt inzwischen in einer höheren Liga«

Ephraim Gothe war schon von 2006 bis 2011 Baustadtrat in Mitte. Jetzt ist er wieder zurück im Amt.

In Gothes Büro sind etliche Pläne an die Wand gepinnt – einer zeigt die Wohnungsbaupotenziale in der Stadt. Daneben hängt ein Tagesspiegel-Artikel mit dem hübschen Titel: »Die linke Baubrigade«. Es geht dabei um die Neuaufstellung der Berliner Baupolitik. »Die Hoffnung ist zurück«, lautet ein Satz in dem Text. Sogar von »Revolution« ist in der sonst eher konservativen Tageszeitung die Rede. Zur »revolutionären Baubrigade« gehört natürlich Katrin Lompscher, die neue Bausenatorin (Die Linke), aber auch SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen. Außerdem Florian Schmidt – ein Stadtsoziologe, der jetzt für die Grünen Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg ist. Und Ephraim Gothe (SPD), der seit November wieder Baustadtrat in Mitte ist – das war er schon einmal, von 2006 bis 2011. Danach war er kurzzeitig Staatssekretär im Berliner Senat und arbeitete dann für die Region Berlin-Brandenburg. Auch aus dieser Zeit hat er etliche Erfahrungen mitgebracht, in sein altes, neues Ressort in Mitte. Ephraim Gothe sieht in diesen Tagen übernächtigt und lebhaft zugleich aus. Ein frischer Wind geht durch die Berliner Baupolitik – es gibt ja auch viel zu tun. Und Gothe hat Verbündete: Mit Florian Schmidt, seinem Kollegen im Nachbarbezirk, versteht er sich gut. Ebenso mit der neuen Bausenatorin. Die Zusammenarbeit ist auch dringend notwendig – in einer Stadt, die unter dem Druck von Wohnungsnot und explodierenden Grundstückspreisen steht.

Herr Gothe, wie ist die Zusammenarbeit im neuen Bezirksamt Mitte?

Derzeit ist es – im politischen Sinn – sehr entspannt. Man hat das Gefühl, dass alle Stadträtinnen und Stadträte im Bezirk gut miteinander kooperieren können. Das ist wichtig, weil wir viel ressortübergreifend zusammen arbeiten müssen, beispielsweise mit dem Straßen- und Grünflächenamt, das jetzt von meiner Kollegin Weißler verantwortet wird. Insbesondere in den Sanierungsgebieten und den »Aktiven Zentren« in Mitte kommen ja viele Aufgaben auf uns zu, die besonders den öffentlichen Raum und den Verkehr betreffen und wo wir kurze Kommunikationswege brauchen. Das gilt ebenso für die sieben Quartiersmanagementgebiete in Mitte und für die neue »Sozialräumliche Planungskoordination«, die jetzt in meinem Ressort angesiedelt ist. Auch dort geht es um die Entwicklung der Kieze. Dabei machen wir gerade viele Vor-Ort-Termine. Das finde ich sehr schön: Es ist etwas anderes, die Gebiete aus der Perspektive der Bürger vor Ort kennenzulernen. Solche Dialoge können viel im Kiez selbst bewegen. Man muss da nicht immer groß dirigieren.

Eine Ihrer ersten Veranstaltungen als Baustadtrat im Bezirk war eine Bürgerversammlung zu Nachverdichtungen und zur Bebauungsplanung im Heinrich-Heine-Viertel, die der Bürgerverein Luisenstadt und die Betroffenenvertretung im Sanierungsgebiet Nördliche Luisenstadt lange gefordert hatten.

Ich war überrascht, wie viele Menschen kamen – und auch darüber, wie offen und konstruktiv es zuging. Es gab gute Diskussionen, und dabei ging es auch nicht mehr nur um Parkplätze, wie man das früher öfter hörte. Wir brauchen natürlich den Bau neuer, bezahlbarer Wohnungen – vor allem durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Aber wir wollen darüber auch einen intensiven Dialog mit den Anwohnern vor Ort führen.

Die Stadt braucht dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. In Berlin gibt es seit Jahren eine große Wohnungsnot. Jährlich ziehen immer mehr Menschen nach Berlin, doch der städtische Wohnungsbau hinkt hinterher.

Der Senat bemüht sich, den Wohnungsbau anzukurbeln – da ist vieles in Arbeit. Insgesamt werden derzeit pro Jahr 12.000 neue Wohnungen in Berlin fertig gestellt. Das ist sicher noch zu wenig, aber die Zahl steigt. Mitte liegt da übrigens ganz vorn, hier werden schon seit Jahren die meisten Baugenehmigungen erteilt, noch vor Pankow und Köpenick. Hingegen passiert in Reinickendorf, wo es doch etliche Potenziale gibt, erstaunlicherweise kaum etwas. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurden dazu angehalten, ca. 6000 Wohnungen pro Jahr neu zu bauen. Aber deren Neubaukompetenzen müssen nach dem Neubaustillstand in den vergangenen Jahren auch erst wieder aufgebaut werden.

Wo könnte man nachverdichten? Und wo soll man in der Innenstadt weiter bauen?

Die Zukunft liegt in der Baulücke. Im Wedding beispielsweise auch dort, wo jetzt eingeschossige Discounter mit großen Parkplätzen stehen. Auf einem ehemaligen Friedhof an der Grenze zu Reinickendorf gibt es auch noch ein größeres Baufeld für Wohnungsbau, über das wir aktuell im Gespräch sind – aber darüber hinaus kommt eigentlich nicht mehr viel. In Mitte sind die großen Projekte wie etwa an der Lehrter und Heidestraße ja schon längst in Arbeit. Jetzt kommen zwar die »Urbanen Gebiete« neu ins Baugesetzbuch, die eine Wohnbebauung auch in Gebieten mit mehr Lärmbelästigung, etwa an Bahnstrecken, erleichtern, was meiner Meinung nach wegen des technischen Fortschritts im Lärmschutz auch gerechtfertigt ist. Größere solcher Gebiete in der Innenstadt liegen aber eher am Ostkreuz – weniger in Mitte. Insgesamt verfügen Berlin und sein Umland über vergleichsweise große Potenziale – darum beneiden uns andere Großstädte wie Hamburg, München, Köln, Stuttgart oder Frankfurt.

Berlin kann sein Wohnungsproblem aber langfristig nicht allein lösen. Das geht nur gemeinsam mit Brandenburg – und bei dieser Kooperation gibt es noch Verbesserungspotenzial. Wenn man die Region aus der Vogelperspektive betrachtet, sieht man einen großen Seestern mit Mitte im Zentrum. Aber wo die Landesgrenzen verlaufen, sieht man dabei nicht. Wir müssen also den gesamten Stern entwickeln. Zum Potenzial für rund 200.000 neue Wohnungen in Berlin kämen dann noch einmal mögliche neue ca. 100.000 Wohnungen im Umland.

Investoren machen gerade viel Geld mit Berliner »Betongold«: Zum Beispiel beim Neubau von sogenannten »Micro-Apartments« in der Innenstadt. Direkt neben solchen Mini-Wohnungen entstehen dann aber auch großzügige Luxuslofts. Andernorts werden Mieter verdrängt. Da wird die Gesellschaft der Zukunft doch vor unseren Augen massiv weiter aufgespalten.

Diese Micro-Apartments sind eine extreme Tendenz. Aber ich glaube nicht, dass sie zukunftsfähig ist. Wir können Investoren, die hier bauen wollen, aber natürlich keine Wohnungsgrößen vorschreiben. Nur bei den eigenen Beständen, bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, können wir eingreifen – und das tun wir ja auch.

Wir brauchen dabei künftig neben klassischen Wohnungen für Familien auch neue Angebote gemeinschaftlicher Wohnformen, nicht nur für Jugendliche und Studenten, sondern etwa auch für Senioren. Es gibt dazu einige gute Konzepte in der Stadt, die wir unbedingt fördern sollten. Bei solchen neuen Konzepten stehen wir erst ganz am Anfang und sammeln noch Erfahrungen. Ich hoffe, dass sie irgendwann auch auf die Privatwirtschaft abfärben.

Das wäre eine Aufgabe für städtische Wohnungsbaugesellschaften oder für Genossenschaften. Allerdings können die sich Grundstücke für Neubau kaum noch leisten, weil die Grundstückspreise in Berlin derzeit durch die Decke gehen.

Das ist ein großes Problem. Weltweit ist extrem viel Geld im Umlauf, das auch immer mehr in dieser Stadt in Immobilien investiert wird. Hier im Amt erlebe ich ausländische Investoren, die in Berlin aktiv sind, weil Grundstücke und Häuser in Berlin immer noch nur halb so teuer sind wie in Paris oder Los Angeles. Kürzlich habe ich beispielsweise mit einem israelischen Investor gesprochen, der mir erklärte, wie günstig es hier im internationalen Vergleich sei. Und viele schätzten ja auch Berlin deshalb, weil sie in ihr eine sehr tolerante, weltoffene und zukunftssichere Stadt sehen, einen ›sicheren Hafen‹ sozusagen. Das sei anderswo in der Welt oft gar nicht mehr so selbstverständlich und deshalb ein großer Standortvorteil. Das ist natürlich ein Lob für die Stadt. Berlin spielt international inzwischen tatsächlich zusammen mit anderen Metropolen in einer höheren Liga. Die Stadt muss jetzt aber auch mit den Konsequenzen leben, die das mit sich bringt. Das ist die Situation, aus der heraus wir arbeiten müssen.

Interview von Ulrike Steglich und Christof Schaffelder, Fotos: Christoph Eckelt, bildmitte

Zuerst erschienen in derecke turmstraße“, nr. 1,  feb./märz 2017.

8 Kommentare auf "»Berlin spielt inzwischen in einer höheren Liga«"

  1. 1
    H. E. says:

    Herr Gothe sagt im obigen Artikel: „Wir können Investoren, die hier bauen wollen, aber natürlich keine Wohnungsgrößen vorschreiben.“
    Na klar könnte er. Der Bezirk könnte ja wohl sein Vorkaufsrecht bei Grundstücken ausüben. Dann kann der Bezirk selbst ein Konzept entwickeln und das Grundstück mit diesem Konzept als Auflage an einen Investor verkaufen.
    Und dazu braucht der Bezirk noch nicht mal eigenes Geld. Er kann einen Kredit aufnehmen, kaufen, schnell planen und schnell wieder verkaufen und den Kredit zurückzahlen. Oder auch öffentliche Gelder nutzen, schließlich sind die ja nicht verloren sondern nur für einen kurzen Zeitraum geparkt. Die Stadt Ulm z. B. macht das schon lange so.

    Wär‘ das nicht auch ein Thema für Bü90/Grüne und Die Linke? Wie soll sich sonst was ändern?

  2. 2
    n.l. says:

    „Wir können Investoren, die hier bauen wollen, aber natürlich keine Wohnungsgrößen vorschreiben.“

    Das ist doch lächerlich. Wer kann es denn dann?
    In anderen Regionen Deutschlands wird privaten Personen vorgeschrieben, welche Farbe die Dachziegel haben müssen und hier kann man angeblich nicht vorgeben wie eine Wohnungsneubau beschaffen sein muss?

  3. 3
    moabiter says:

    @ 2,
    ganz so einfach ist das nicht. Die genannten Regionen mit der Farbe der Dachziegel haben da vermutlich Denkmalschutzgebiete oder andere Gestaltungssatzungen aufgestellt.
    Andererseits ist es natürlich richtig, dass Berlin erst mal üben muss sich als Kommune durchzusetzen und den Investoren nicht hinterherzurennen.

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    Auch in Mitte sollte das Vorkaufsrecht so offensiv eingesetzt werden wie in Kreuzberg, z.B. beim Neuen Kreuzberger Zentrum, das jetzt an die Gewobag geht:
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1048724.mieterschutz-teuer-erkauft.html

  7. 7
    Netzgucker says:

    @6,
    mit dem Vorkaufsrecht ist es jetzt ja nun leider vorbei, aber wie sieht es mit den hochgelobten städtischen Wohnungsbaugesellschaften aus, machen die wirklich wahr, was von ihnen erwartet wird?
    Titelthema im MieterMagazin Oktober 2021:
    schon aus dem MieterMagazin Oktober 2021 zum Thema Leerstand:
    https://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1021/soziale-wohnungsversorgung-wo-die-staedtischen-unternehmen-besser-werden-muessen-102114.htm

  8. 8

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