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»Darunter wird’s zum Hobby«

Die »plattform.moabit« in der Oldenburger Straße

cornelia-stretz_CE-250Die Goldschmiedin und Designerin Cornelia Stretz verkauft in ihrem Laden plattform.moabit handgefertigte Schmuck-Kreationen. Die Verkaufsfläche ihres Ladens ist sehr flexibel gestaltet: Die Künstlerin nutzt sie häufiger auch mal für Ausstellungen und andere Kulturveranstaltungen.

Wer aus der Turmstraße in die Oldenburger Straße kommt, würde alles erwarten, nur keinen lichtdurchfluteten Designerladen. Genau neben einer lauten Baustelle aber befindet sich hier in einem Jugendstilgebäude mit hoher Stuckdecke der kleine Laden der Designerin und Goldschmiedin Cornelia Stretz. 

Auf der linken Wandseite des geschmackvoll eingerichteten Ladens sind Stretz’ eigene Schmuck-Kreationen ausgestellt. Das Schaufenster und die rechte Wandseite werden von Taschen und Kissen aus Stoffresten geschmückt, Kunsthandwerk einer guten Bekannten, mit der sich Stretz seit zwei Jahren die Verkaufsfläche und die unmittelbar daran angrenzende Werkstatt teilt.

»Unsere Ästhetik passte einfach gut zueinander«, erklärt Cornelia Stretz, die die Räumlichkeiten vor elf Jahren als Ruine gemietet und mit Hilfe von Freunden und Familie selbst saniert hat. »Und es ist doch auch spannender für mögliche Käufer, wenn es eine Vielfalt gibt, oder?« Aus dem gleichen Grund lässt Stretz die Durchgangstür zum Vintage-Möbelladen »einrichtungsmeisterei« nebenan auch mal auf: »So schaffen wir hier ein Angebot mit Kaufhauscharakter«, lacht sie.

Cornelia Stretz’ eigenes »Angebot« variiert. Hauptsächlich kreiert die Designerin klassische Schmuckstücke wie Ketten und Ringe aus experimentellen Materialmischungen wie Silber und Stahlseil oder Weißgold und Dosenblech. Der Designerin ist die Nachhaltigkeit der Materialien wichtig: Wenn sie Edelsteine benutzt, dann nur fair gehandelte. Generell aber interessiert Stretz die Arbeit mit Alltagsmaterialien. Nur mit Gold und Edelsteinen zu arbeiten, fände die gelernte Goldschmiedin nicht nur zu eintönig, sondern auch zu riskant: Im vergangenen Monat ist sie gleich zweimal beinahe ausgeraubt worden.

Wäre ihr Schmuck hochpreisiger, könnte sie ihre Schmuckstücke gar nicht so offen an der Wand ausstellen wie jetzt, meint die Goldschmiedin. Eine ihrer Kreationen kostet im Durchschnitt 150 Euro. »Das ist manchen immer noch zu teuer, aber schon auf Moabit angepasst. Darunter geht’s nicht, sonst wird’s zum Hobby.« Dafür fertigt Stretz auf Wunsch an und bietet flexible Zahlungsmodalitäten: Als ihre eigene Chefin kann sie Herzensgegenstände auch mal monatelang reservieren oder sich auf Ratenzahlungen einlassen.

Stretz ist keine Künstlerin, die gern alleine für sich im stillen Kämmerlein werkelt, sie ist eine Teamplayerin, eine, die Menschen mag und den Austausch mit anderen sucht. Von Beginn an teilt sie ihre ursprünglich nur als Werkstatt angemieteten Räume mit wechselnden Künstlern. Doch Laden und Werkstatt sind auch nur eines ihrer Standbeine. Ihr zweites ist ein Ausbildungs- und Kulturzentrum in Friedenau: Hier bildet sie gemeinsam mit einer Kollegin 12 junge Frauen mit Brüchen in der Biographie zu Goldschmiedinnen aus.

Der soziale Bereich interessiert Stretz schon seit Langem. In den ersten Jahren hat sie die Räume in der Oldenburger Straße nur als Werkstatt und Projekträume gemietet und Schulaussteigern in Kooperation mit ihren Schulen einen Raum geboten, um ihre handwerklichen Fähigkeiten in der Praxis zu testen. 

Mittlerweile trennt die Designerin, Goldschmiedin und zweifache Mutter ihre künstlerische und soziale Arbeit. Das Soziale wird im Kulturzentrum in Friedenau abgedeckt, die Moabiter Räume sind für Kunst und Kultur da: Seit zehn Jahren nutzt Stretz ihren Laden regelmäßig als Galerie oder Veranstaltungsort.

Gerade bereitet die Powerfrau wieder eine Ausstellung vor: Am  9. April wird sie die Ergebnisse ihres interaktiven Kunstprojekts »Schubladenfund« vorstellen. Seit Dezember hat die Designerin Menschen im Kiez aufgerufen, einmal ihre Schubladen zu plündern. Dabei hatte sie eine Upcycling-Idee der anderen Art: Sie wollte abgelegten Schmuckstücken durch kleine Änderungen auf Wunsch neuen Glanz verleihen. Im Gegenzug für Handwerk und Expertise wünschte sie sich die Geschichten hinter dem Schmuck mit Vergangenheit. Bis zum Ausstellungsbeginn am 9. April sollen insgesamt neun Schubladen bestückt werden. Mindestens drei der Schubladen werden von den Findern der Ausstellungsstücke selber designt, an den restlichen Schubladen sitzt Stretz gerade selbst. Eine von ihnen wird sich mit Schlüsseln ohne Schlösser befassen, eine andere im weitesten Sinne mit Schuld: »Eine Kundin hat ein Erbstück aus Elfenbein gebracht und meinte, sie könne es aus Gewissensgründen nicht tragen.«

Man merkt schnell: Die Schubladen werden inhaltlich und gestalterisch so vielfältig werden wie der Kiez um die Oldenburger Straße, den sich die ursprünglich aus Pforzheim kommende Cornelia Stretz vor mehr als 25 Jahren als neue Heimat gesucht hat und trotz allen Wandels immer noch sehr schätzt. »Wo sonst findet man so viel Vielfalt?« sagt sie lächelnd. »Sogar Urlaub machen kann man hier. Da muss man einfach nur um die Ecke an die Beusselstraße, da ist man direkt im Libanon.«

Ergänzung zum Printartikel: Und schon ein Woche zuvor, vom 1. – 3. April (Zeiten s. Veranstaltungskalender), stellt Cornelia Stretz zusammen mit Sara Borris / Textiles und B. Ton / Terrazzo und Upcycling in ihrer plattform.moabit im Rahmen der »Europäischen Tage des Kunsthandwerks« ihren Unikatschmuck aus und informiert über ihr Kunsthandwerk.

Text: Eva-Lena Lörzer, Bild: Christoph Eckelt, bildmitte
Zuerst erschienen in der »ecke turmstraße«, nr. 2, märz/april 2016

plattform.moabit, Oldenburger Straße 3a, 10551 Berlin,  Telefon (0160) 98403862,
geöffnet Mo–Fr 12–18 Uhr, www.co-sign.de

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