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Memory-Haus

Memory-Turm-250Zwei Artikel aus dem stadt.plan.moabit:

Was lange währt. .. . . Memory-Haus wird endlich saniert

Geschichte
Das Eckhaus Havelberger- / Birkenstraße kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken, die nur teilweise aus den Bauakten abzulesen ist. Am 1. Juli 1874 wurde der ursprüngliche Bauantrag abgestempelt. Der Bau soll 1876 fertig gewesen sein, doch schon fünf Jahre später plante der damalige Besitzer eine Aufstockung. 1890 bis 92 schließlich wurde ein Turm zur Betonung der Ecksituation gebaut. Dieser Turmaufbau wurde irgendwann 1950 oder 1960 abgerissen. Der neue Eigentümer wird jetzt die historische Fassade einschließlich der Turmhaube wieder denkmalgetreu aufbauen lassen.

Hinter der schönen und repräsentativen Fassade lagen früher keine herrschaftlichen sondern sehr einfache Wohnungen. Wie es bei Arbeiterwohnungen in dieser Zeit üblich war: ein Zimmer zur Straße und die Küche zum Hof für eine vielköpfige Familie. Zum Klo musste man auf den Hof in eine Remise. Die wurde auf den alten Plänen „das Appartement“ genannt. Die Gaststätte muss sich damals im Keller befunden haben. Eher eine Spelunke mit niedrigen Decken und kein bisschen gemütlich. In den 20er Jahren zog die Gaststätte nach oben, dann gab es kein Hochparterre mehr.

Keine Instandsetzung
Langjähriger Besitzer war ein Bauingenieur Schittenhelm, der das Haus bis zu seinem Tode gut in Schuss hielt. Doch seine Erben scheinen wenig Interesse an der Erhaltung gehabt zu haben. Sie investierten in den letzten 10 bis 15 Jahren keine müde Mark. Die Hälfte der Wohnungen stand am Ende leer. Sie waren in so einem schlechten Zustand, dass sie schlichtweg unvermietbar waren. Es gab Außentoiletten. Immerhin musste man nicht mehr auf den Hof. Und es gab auch jetzt noch vier Berliner Durchgangswohnungen. Das sind Wohnungen, die hintereinander an einem Flur liegen, sodass man durch eine Wohnung durchgehen muss, um die nächste zu erreichen, die keinen eigenen Zugang zum Treppenhaus hat. Solche Wohnungen gab es in den 70ger Jahren in Berlin noch häufiger, mittlerweile sind die Grundrisse im Zuge von Sanierungen verändert worden.

Trotz in Aussicht gestellter Fördermittel und Druck des Bezirksamtes rottete das Haus vor sich hin. „Es war schwer mit den Bewohnern in Kontakt zu kommen“, berichtet Heidi Neugebauer, Eigentümerin des Nachbarhauses in der Havelberger Straße und Mitglied im Betroffenenrat Stephankiez „manchmal zogen hier die stinkenden Rauchfahnen vorbei, weil mal wieder jemand seinen Müll oder alte Schuhe zum Heizen verwendet hat.“

Denkmalschutz
Vor ungefähr anderthalb Jahren wurde das Haus von dem Münchner Investor Worbs und Meixner GbR gekauft. Eigentlich ging es nur um eine Geldanlage, doch dann hatte sich Herr Worbs ein bisschen in dieses alte Gebäude verguckt. Er konnte die frühere Schönheit ahnen. Nicht ohne Grund steht das Haus als Einzeldenkmal auf der Denkmalliste. So etwas ist für Eigentümer und Architekt nicht nur angenehm, denn der Denkmalschutz will ein Wörtchen mitreden. Leicht war die Abstimmung nicht. Und ob es für die zukünftigen Bewohner sinnvoll ist, dass die Remise als Müllstandort wieder aufgebaut werden muss, darf bezweifelt werden. Denn der Hof ist eng, ganz unterkellert und bietet wenig Raum für Aufenthalt im Grünen

Sanierung
Als Architekt für die Sanierung haben die neuen Eigentümer Thomas Sanwald vom Kreuzberger Architektenbüro complan beauftragt. Im Juli 2002 wurde der Bauantrag gestellt und sobald die Gelder freigegeben werden, kann der Bau beginnen. Die verbliebenen Mieter wurden durch die Mieterberatung ASUM betreut und Modernisierungsverträge abgeschlossen. Fast alle Mieter sind umgesetzt worden. Eine Familie bleibt während der Bauarbeiten im Haus und nimmt alle Unannehmlichkeiten einer Sanierung in Kauf. Sie werden innerhalb des Hauses umziehen, weil sie einfach nicht wegwollen.

Obwohl das Haus eigentlich gar nicht so schlecht aussieht, wird die Sanierung ca. 2 Millionen € kosten. Im Inneren ist nämlich nicht mehr viel vorhanden, was man wiederverwenden könnte. Sogar mehr als die Hälfte der Fußbodendielen muss erneuert werden. Die Sanierung wird durch die IBB gefördert. Das bedeutet, dass die Mieten im Sanierungs- und Erhaltungssatzungsgebiet nur bis maximal 3,60 € nettokalt pro qm steigen können. So wollen auch die Hälfte der Mieter wieder zurückziehen. Sie haben sich jedenfalls die Option offengehalten. Das Dachgeschoss wird ausgebaut, allerdings freifinanziert. Hier wird die Miete höher. Für die Gaststätte wünscht sich Worbs ein gepflegtes Restaurant.

Eine Einigung mit allen Beteiligten ist erreicht. „Ich hoffe , dass die Baugenehmigung bald erteilt wird“ sagt Sanwald, „dann kann alles in einem Jahr fertig sein, wenn keine größeren Probleme auftauchen, z.B. Schwamm an einer versteckten Ecke, wo wir ihn nicht vermutet hätten.“

zuerst gedruckt in: stadt.plan.moabit, Nr. 5, Februar 2003

Schmuckstück an der Ecke – Mieter kommen zurück

Von außen strahlt das sanierte Haus Havelberger / Birkenstraße mit der schön hergerichteten zweifarbigen Backsteinfassade und dem wiederaufgebauten Eckturm freundliche Gemütlichkeit aus. Die stellt sich allerdings für die Mieter im Innern erst langsam ein. Auf die Gastronomie, die ins ehemalige Memory einzieht, darf man gespannt sein. Der Mietvertrag mit dem Restaurantbetreiber vom „Lichtblick“ wurde kürzlich unterschrieben. (Nachtrag: das Osmanya eröffnete schließlich im Herbst 2009!)

Als wir in der Februarausgabe letztes Jahr über die Sanierungsgeschichte des denkmalge­schützten Hauses berichteten, hatte Architekt Thomas Sanwald noch die Hoffnung, dass die Bauarbeiten Ende 2003 fertig sein könnten. Das hat sich doch länger hingezogen, woran auch ein Wasserschaden im Dach Schuld ist, der auf Sabotage zurückgeführt wird. Die ersten Mieter waren schon eingezogen, als noch an Treppenhäusern, Klingelanlage, Briefkästen und vielen anderen nicht ganz unwichtigen Kleinigkeiten gebaut wurde. „Bis auf die freifinanzierten Dachgeschosswohnungen ist so gut wie alles vermietet“ äußert sich Herr Esser von der Hausverwaltung Stockmann zufrieden.

Zurück auf eine Baustelle
Für einige Mieter, die zurückgekommen sind in ihr altes Haus, war die Sanierung nevenaufreibend. Sie hätten immer wieder einen neuen Fertigstellungstermin bekommen, aber irgendwann müsse man die Umsetzwohnung ja dann kündigen, berichteten sie. Besonders unzufrieden ist H. K. Auf ein Jahr Bauzeit hatte sie sich eingerichtet. Doch immer wieder wurde der Fertigstellungstermin verschoben. Es sind zweieinhalb Jahre geworden. Einen Tag vor dem Einzug wurden die Scheuerleisten gestrichen. Noch während des Umzugs hatten sechs Handwerker in der Wohnung zu tun. Die Türklinken fehlten.

Vier Jahre vor der Sanierung war sie in das Haus eingezogen, in die Nachbarwohnung ihres Lebensgefährten, A. Z., der dort schon 18 Jahre mit Blick über Moabit lebte. Damals wäre das Haus in sehr gewöhnungsbedürftigem Zustand gewesen. Manchmal hätten sie über nächtigende Schnapsleichen auf dem Treppenabsatz steigen müssen. Der Gedanke an Umzug in eine angesagtere Gegend war Z. in der langen Zeit schon öfter mal gekommen und jedesmal wieder verworfen worden. Moabit liegt zentral mit guter Verkehrsanbindung. Die Wohnung war groß und billig. Und eigentlich gefalle ihm die typische Moabiter Mischung trotz vieler Probleme durch zunehmende Armut.

Alles war vor der Sanierung schon fertig
K. hatte aber auch besonderes Pech. Als das Haus verkauft wurde und die Sanierung anfing, hatte sie ihre Wohnung mit viel Eigenarbeit und Einsatz ihres Erbes schon vollkommen renoviert. Ihr war vertraglich zugesichert worden, dass alles so bleibt, wie es war. Das hat dann doch nicht geklappt. Deckenbalken mussten saniert werden und dort dann die Fußbodendielen erneuert. Sie waren dunkel gebeizt. Mit neuen Dielen konnte der gleiche Farbton nicht erreicht werden. „Ich glaube, wenn ich nicht die schöne Dachterasse und den Raum im Dachgeschoss bekommen hätte, dann wäre ich nicht mehr zurückgekommen,“ sagt sie. Sanierung bedeutet immer auch Kompromisse eingehen.

Nach Jahren endlich eine schöne Wohnung
Habes Evlek dagegen ist zufrieden. Er wollte eigentlich selbst während der Bauarbeiten nicht ausziehen. Die waren jedoch so umfangreich, dass er schließlich eine Umsetzwohnung akzeptierte. Seit 29 Jahren wohnt er hier und berichtet: „Vorher hatte ich fünf Jahre in der Lehrter Straße gewohnt. 1975 sind wir hier eingezogen in eine kleine Dienstwohnung als Hauswart. Das war damals eine andere Zeit. Es gab viele ältere Damen und ich erinnere mich noch genau an die Namen: Frau Dietrich, Frau Wenk, Frau Schmidt, sie ist 99 Jahre alt geworden, und Frau Stücker war sogar hier im Haus geboren. Wir haben ihnen immer die Kohlen raufgetragen. Es gab den Stall im Hof und die Waschküche im Keller. Als der Besitzer gestorben ist, wurde nichts mehr repariert. Es war eine schwere Zeit und ich habe so viel am Haus gearbeitet.“ Evleks wollten unbedingt wieder zurückkommen. Ihre drei Kinder sind hier aufgewachsen und sie haben acht Enkelkinder. Mit der Familie ihres Sohnes bewohnen sie eine schöne 5-Zimmer-Wohnung. „Das Klima ist hier so viel besser, als in anderen Wohnungen. Ich bin ja klein, aber im Neubau mit 2,80 Meter Deckenhöhe fühle ich mich eingeengt. Die Miete ist zwar ganz schön teuer im Vergleich zu früher, aber jetzt haben wir alles, Heizung, warmes Wasser und viel Platz. Hoffentlich bleiben wir noch lange gesund, dass wir die Treppen steigen können,“ so Evlek.

zuerst gedruckt in: stadt.plan.moabit, Nr. 23, Oktober 2004

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