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Europa trifft (sich in) Berlin

Arbeit-250Internationale Jugendbegegnung im Kubu

Innerhalb des europäischen Programms „Jugend in Aktion“ fanden vergangene Woche berlinweit fünf verschiedene Aktionen statt. Eine davon im Kubu in der Rathenower Straße 17. Hier trafen sich 21 junge Leute aus Frankreich, Bulgarien und der Türkei mit Jugendlichen aus der Einrichtung und arbeiteten an einem Projekt zum Thema „20 Jahre Mauerfall„. Sie gingen auf Spurensuche, um Hinweise auf die europäische Einigung fotografisch festzuhalten. Das Motto: der Mauerfall und die Einheit Deutschlands als Motor für die europäische Einigung. Klingt theoretisch ganz plausibel, aber überzeugende Bilder zu finden oder zu gestalten, war gar nicht so einfach. Jede Gruppe hat ein oder mehrere Bilder für eine Wanderausstellung ausgesucht. Die großformatigen Fotos werden auf eine Europareise gehen durch die Einrichtungen und Organisationen, aus denen die TeilnehmerInnen kommen: zuerst nach Bulgarien, dann in die Türkei und nach Frankreich. Am Schluss werden sie hier im Kubu präsentiert. Die Altersspanne der TeilnehmerInnen war recht groß, von 15 bis 25 Jahre. Ich hatte Gelegenheit mit 3 von ihnen über ihre Eindrücke vom Workshop und über Berlin zu sprechen.

Gregoire_FINAL_web_400x286Gregoire Oustry, 24 Jahre, kommt aus der Nähe von Marseille, Frankreich. Er hat bereits 3 Jahre an einer Kunstschule studiert und ist Fotgraf und Bildhauer, allerdings eher im übertragenen Sinne, er arbeitet mit Material am Computer. Seine Fotos hingegen macht er noch auf Film in schwarz-weiß. Er ist zum ersten Mal in Berlin und ziemlich begeistert: „Berlin ist die ursprüngliche Stadt – das Original. Deutsche machen nicht auf ursprünglich, sie sind es.“ Was immer er mit dieser Aussage auch meinen mag. Gregoire hat sich intensiv mit der Berliner Mauer beschäftigt und versucht sich vorzustellen, was sie im Alltag bedeutet hat, für den Einzelnen oder für Familien. Das durch den Mauerbau verursachte Leid vieler Menschen hat ihn sehr bewegt. Er zeigte mir eine dreiteilige Fotoserie in einem Buch über die Berliner Mauer. Eine Hochzeitpaar: auf dem ersten Foto schaut die Braut durch ein Fernglas, auf dem zweiten weint sie in den Armen des Bräutigams und auf dem dritten erkennt man ein älteres Paar (ihre Eltern?) in einiger Entfernung auf der anderen Seite winken. Gregoire hat den Eindruck, dass heute viele Touristen die Mauer eher als besondere Attraktion konsumieren ohne zu verstehen. Er hat in der Bernauer Straße eine Installation aufgebaut: Europa springt über die Mauer (siehe Foto).

Rayna, 22 Jahre, kommt aus Sofia, Bulgarien und studiert Fotografie an der Nationalakademie für Theater und Filmkunst. Sie kennt Deutschland, denn in der vorlesungsfreien Zeit besucht sie hre Mutter in Stuttgart. Aber bei einem Jugendaustausch ist sie zum ersten Mal dabei und hat sehr viel Spaß. Das Thema findet sie sehr interessant, aber das wichtigste für sie ist, dass man neue Leute kennenlernt. „Schon zwei oder drei interessante neue Kontakte sind einfach super!“ Nach dem Workshop muss sie zuerst ihre Diplomarbeit fertig stellen und will dann vielleicht nach Frankreich oder Spanien gehen. Auch Berlin gefällt ihr wahnsinnig gut, sagt Rayna. Kein Wunder, das Sommerwetter war einfach wunderbar.

Auch Engin Onder, 18 Jahre aus Istanbul, Türkei studiert schon Fotografie. Für ihn ist es ebenfalls das erste Mal, dass er an einem internationalen Projekt teilnimmt. Auslandsreisen waren bisher immer nur Urlaub. Engin arbeitet als Freiwilliger für das Erasmus-Programm und bekam dadurch die Chance teilzunehmen. Der Workshop hat ihm ebenso gut gefallen wie die Stadt Berlin: „Als Fotograf muss man kreativ sein und  offen für neue Ideen. Da hat diese eine Woche richtig viel gebracht.“ Berlin empfindet Engin als eine sehr grüne Stadt mit guter Luft, viel entspannter als Istanbul. „Getränke sind so billig, aber öffentliche Verkehrsmittel richtig teuer. Am meisten erstaunt war ich aber, als ich im Supermarkt für eine Plastiktüte bezahlen musste.“ Das hatte er erst gar nicht verstanden, schließlich hat es die Kassiererin auf türkisch erklärt. Im nächsten Jahr wird Engin wieder an einem internationalen Projekt teilnehmen, denn Istanbul wird zusammen mit Essen (Ruhrgebiet) und Pécs (Ungarn) zur Kulturhauptstadt Europas 2010.

Die Jugendlichen haben in der einen Woche viel unternommen: Das Dokumentationszentrum Berlin Mauer an der Bernauer Straße besucht, mit den Berliner UnterweltenMauerdurchbrüche“ kennengelernt und die Gedenkstätte in Hohenschönhausen, das frühere Stasi-Gefängnis. Dazwischen haben sie immer wieder eigene Fotos gemacht, bearbeitet, untereinander diskutiert, neues über Europa und Austauschprogramme gelernt. Abends waren sie dort unterwegs, wo die Jugend in Berlin feiert: im Mauerpark, Strandbars, Clubs und auch bei Tentstation. Untergebracht war die Gruppe im Gästehaus im Zentrum der Berliner Stadtmission. Betreut wurden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von den Mitarbeitern des Kubu, Markus Klopsch, Martin und Martina Kühn, Birgit Viola, Karena Mohammed, Roland Rüger und Georgina Espasa, die 2008 einen Freiwilligendienst im Programm „Jugend in Aktion“ im Kubu gemacht hat und danach in Berlin geblieben ist.

3 Kommentare auf "Europa trifft (sich in) Berlin"

  1. 1
    Kubu says:

    Die sieben von der internationalen Gruppe ausgewählten Fotoarbeiten werden – nachdem sie bereits in Marseille/Frankreich und Sofia/Bulgarien zu sehen waren – jetzt auch hier in Berlin gezeigt. Ausstellungseröffnung am 29.4.2010 um 17 Uhr in der Bruno-Lösche-Bibliothek, Perleberger Straße 33. Die Ausstellung kann danach bis zum 15.5.2010 während der Öffnungszeiten besichtigt werden: Mo – Fr 11-19:30 Uhr, Sa 10-14 Uhr.

  2. 2
    Rané says:

    Tja, es ist eh erstaunlich, wie wenig die Projekte vom Kubu bekannt sind. Traf neulich beim Quartiersratstreffen auf einen alten Bekannten mit seiner Trommelgruppe. Marketing in Moabit ist in allen Bereichen leider immer noch ein Trauerspiel *jammer*. Sorry, betrifft den kulturellen Bereich, bei der Stadtplanung wird gefetzt, was das Zeug hält.

  3. 3
    Redaktion says:

    Das Projekt euXperience wurde kürzlich in der Kategorie „Interkulturelle und internationale Projekte“ mit dem Dieter-Baacke-Preis ausgezeichnet. Das ist die höchste Auszeichnung für medienpädagogische Projekte in Deutschland:
    http://www.dieterbaackepreis.de/

    Wir dokumentieren hier die Laudatio von Arne Busse, Bundeszentrale für politische Bildung:
    „Dieter-Baacke-Preis 2010
    Laudatio euXperience (Kategorie Interkulturelle und internationale Projekte)
    Als die deutsch-deutsche Mauer fiel waren sie entweder noch gar nicht auf der Welt oder nicht älter als Kleinkinder; aufgewachsen sind sie in einem Europa nach dem Kalten Krieg: je vier Jugendliche, junge Erwachsene im Alter von 16 bis 26 Jahren aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich und der Türkei. Das zwanzigjährige Jubiläum des Mauerfalls haben sie zum Anlass genommen für eine fotografische Erkundung der Bedeutung dieses Ereignisses in historischer und europäischer Perspektive. Im Rahmen einer internationalen Jugendbegegnung in Berlin besuchten und entdeckten sie besondere Orte wie das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, ehemalige Fluchttunnel in der Berliner Unterwelt und die Reste der Berliner Mauer.
    Daraus entwickelte sich/entwickelten sie eine fotografische Suche nach den Spuren des Mauerfalls und der Einheit Deutschlands als Motor für die europäische Einigung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich mit ihrer Geschichte ? der nicht ode nur teilweise selbst erlebten? auseinander und eigneten sich diese durch das Medium der Fotografie an. Das Ergebnis, eine Wanderausstellung mit sieben fotografischen Kunstwerken tourt seit 2009 durch die vier Länder.
    Die Jury sieht das Projekt als überzeugende Form medienpädagogischer Praxis, die aktive Medienarbeit mit internationaler und interkultureller Jugendbegegnung verbindet. Ein themenorientiertes medienpädagogisches Praxisprojekt ermöglicht jungen Menschen einen erlebnisorientierten, ästhetisch erfahrbaren Zugang zu deutscher und europäischer Geschichte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Medien aktiv genutzt, sie haben sich kreativ mit den ästhetischen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten der Fotografie auseinandergesetzt, ihre Perspektive zum Ausdruck gebracht und sich die Geschichte gleichsam durch das Objektiv erobert.
    Die Jury überreicht euXperience den Preis für Interkulturelle und internationale Projekte, da hier überzeugend, ästhetisch wie medienpädagogisch gleichermaßen gelungen verschiedene kulturelle und nationale Geschichten erfahrbar und sichtbar gemacht wurden. Wir gratulieren für ein wunderbar gelungenes, humorvolles und einfach schönes internationales Projekt. Herzlichen Glückwunsch!“

    Wir schicken noch einen Glückwunsch von MoabitOnline hinterher!

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