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Bürgerbeteiligung vor dem selbstverschuldeten Aus?

Bürgerbeteiligung, ja Demokratie, ist ein hohes Gut, das langwierig und unter zum Teil großen Opfern erkämpft werden musste. Dementsprechend verantwortungsvoll muss mit diesem hohen Gut umgegangen werden. Heißt Bürgerbeteiligung, dass Planern oder Ämtern generell Unfähigkeit unterstellt werden müßte und die Bürger das alles besser könnten? Dann könnten ja auch ein Bäcker oder eine Friseuse eine Baustatik machen, Software gibt es genug auf dem Markt. Es geht doch wohl im Idealfall darum, die technische und rechtliche Fachkenntnis mit den Erfahrungen vor Ort zu bündeln. Es geht aber auch um Interessengegensätze (z.B. neuer Investor – Ortsansässige), die gelöst werden müssen und leider viel zu oft noch nach der Interessenlage des wirtschaftlich Mächtigeren entschieden werden, zumal diese in der Regel über die besseren Kontakte zu den entscheidenden Organen verfügt. Was haben wir hier in Moabit davon erleben können?

Jedem, der sich seit dem Mauerfall mit der Moabiter beziehungsweise Berliner Politik und vor allem den von ihr auf den Weg gebrachten Planungsverfahren beschäftigt hat, weiß, wie oft Bürgerbeteiligung nur als Deckmäntelchen behandelt worden ist, als bloße, „leider notwendige“ und daher lieblos betriebene/hintertriebene Umsetzung von gesetzlichen Vorschriften. Erinnern wir uns: Einsichtnahme im Wedding oder in übervolle Aktenregale im Güterschuppen des Anhalter Bahnhofs, Erörterungsveranstaltungen im Schöneberger Rathaus, bei der Senatsverwaltung in Wilmersdorf oder gar in ehemaligen Stasigebäuden in Lichtenberg. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Nicht umsonst ist in dem von Hauptstadtplanungen überrollten Bezirk Tiergarten ein besonderes Modell der Bürgerbeteiligung durchgesetzt worden, um das uns z.B. Anwohnervertretungen anderer Bezirke beneidet haben, das sogenannte Tiergartener Modell. Grundgedanke war eine breitere Einbeziehung von Menschen, die sich schon allein aufgrund der ihnen völlig unverständlichen Fachsprache nicht an der ihnen zustehenden Beteiligung teilgehabt hatten, organisiert über den Moabiter Ratschlag e.V.

Natürlich hat auch dieses Tiergartener Modell nicht immer so funktioniert, wie es von Seiten der Bürger hätte funktionieren sollen. Mittlerweile sind sogar die Mittel, die der Bürgerverein Moabiter Ratschlag e.V. dafür zur Verfügung gestellt bekommen hatte, aus landesfinanziellen Gründen fast vollständig zusammengestrichen worden. Natürlich ist es immer wieder zu Einflussnahmen wirtschaftlicher Lobbyisten gekommen, die dann an entscheidenden Punkten zur Aushebelung von Beteiligungsrechten geführt hatten, erinnern wir uns in dieser Hinsicht nur an das Verfahren zum Hamberger-Großmarkt mit seinen bekanntgewordenen Koppelverträgen.

Nun sollte hier einmal ein Verfahren durchgeführt werden, dass frei von Einflussnahmen durch wirtschaftlich interessierte und mächtige Außenstehende hätte sein können, das Beteiligungsverfahren zur Umgestaltung des Kleinen Tiergartens. Ein Verfahren, in dem es direkt um Belange der Bürger geht, um von ihnen genutztes Gelände. Das Verfahren fing gut an, eine frühzeitige Information im Gebiet selbst, in der Heilandkirche bzw. in ihrem Gemeindehaus, bei der schon erste Anregungen durch die Planer, das Büro Latz & Partner, aufgenommen worden sind. Eine Kinder- und Jugendbeteiligung, bei der nach den Wünschen der Nutzer gefragt worden ist, denn wer ernst genommen wird, der wird sein Umfeld mit anderen Augen betrachten, wird mit ihm bewusster umgehen. Gerade, wenn immer wieder von Demokratiemüdigkeit der Jugend geredet wird (von Erwachsenen), ist dieses Ernstnehmen wichtig, zeigt es doch schon dem heranwachsenden Bürger einer Demokratie, dass seine Stimme zählt. Es schloss sich eine Planungswerkstatt vor Ort an, bei der der offene und vor allem ergebnisoffene Dialog mit den Planern überraschte. Natürlich muss da ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegen, denn bekanntlich kommt ohne Tischvorlage nur ein allgemeines Stimmungsbild heraus. Fragen tauchten dabei auf, denn die Frage, welcher Baum gefällt werden soll und aus welchen Gründen, ist nicht vom Tisch zu wischen. Auch mir ist es wichtig, dass nicht wahllos für verkopfte Ideen abgeholzt wird (siehe meinen Artikel zum Wettbewerb). Die Planer sind hier in die Offensive gegangen und haben einen Rundgang mit dem von ihnen beauftragten Baumgutachter vorgeschlagen. Und ab diesem Punkt, an dem die sachliche Diskussion vertieft hätte werden können, ist die ganze Sache gekippt. Gerade durch Leute, die nicht an den zuvor gelaufenen Veranstaltungen teilgenommen hatten, die sich zum Teil klar als aus anderen Bezirken stammend zu erkennen gegeben haben, kamen teilweise herbe verbale Attacken gegen die Planer. Attacken, die ihre Berechtigung gehabt hätten, wenn der Kleine Tiergarten für eine Autobahn oder eine Chemiefabrik hätte abgeholzt werden sollen. Es wurden ökologische Argumente angeführt, die zwar an und für sich richtig sind, deren Umsetzung aber global betrachtet sich in diesem besseren Blumenkasten, der der Kleine Tiergarten aufgrund seiner geringen Größe nun einmal ist, keineswegs messbar auswirken würde. Zumal es sich hier nicht um ein natürliches Biotop handelt, sondern um eine von Menschenhand gestaltete Gartenanlage, die durch jahrzehntelang unterlassene Pflege verkommen ist und daher zwingend nachhaltig verbessert werden muss. Die sachliche Diskussion mit der Stadtteilvertretung lief zwar weiter, auch hier zeigte sich das Planungsbüro kompromissbereit. Begleitet wurde sie aber von anderen durch eine Unterschriftensammlung, bei der – unter anderem hier im Forum nachzulesen – mit der „Betroffenheitskeule“ („Wollen Sie, dass hier alle Bäume abgeholzt werden?“) Unterschriften gesammelt worden sind und eine Schlammschlacht mit anonymen (!) Diffamierungen sowohl des Planungsbüros als auch des damals amtierenden Stadtrats. Die Stimmung ist mittlerweile völlig vergiftet, wie die Sondersitzung des Ausschusses für Soziale Stadt, QM, Verkehr und Grünflächen am 10.3.2012 gezeigt hat. Es sind die Fronten hier „die“ Bürger (was gar nicht stimmt, entsprechende Gegenstimmen gab es), dort die Planer, aufgebaut worden, die zukünftigen Bürgerbeteiligungen ernsthaft schaden werden. Ein potentieller Bündnispartner, das Büro Latz & Partner, ist zum Feind erklärt worden, „Wutbürger“ machen jedwede sachliche Diskussion mit Totschlagsargumenten zunichte und greifen dabei auch verbal die Bürger an, die wie ich der Planung des Büros zustimmen.

Was ist hier taktisch und strategisch falsch gelaufen? Ich will es mit einer sehr viel kleineren Planung, der Umgestaltung des Stephanplatzes, vergleichen. Im Vorfeld dieser Umgestaltung wurden von der S.T.E.R.N. GmbH Anregungen zur Verbesserung abgefragt, auch hier wurden Kinder und Jugendliche beteiligt. Dann wurde von S.T.E.R.N. ein Plan vorgelegt und in Salamitaktik erst von einem zu fällenden Baum, dann von zweien und so weiter geredet. Der Anwohnervertretung, die angesichts dieser scheibchenweisen Information immer misstrauischer wurde, sind dann von S.T.E.R.N. Pläne in verschiedenen Maßstäben (vorher/nachher) vorgelegt worden, die eine Laie nicht mehr hätte vergleichen können. Man kann hier schon von bewusster Irreführung reden. Zumal die Pläne in ihren Grundlagen auch noch voneinander abwichen, die Neubaupläne also auf technisch gesehen falscher Grundlage aufbauen sollten. Latz & Partner dagegen haben nicht nur vollständige und richtige Pläne zur Verfügung gestellt, sie haben darüber hinaus auch ein in Ebenen aufgebautes PDF im Internet veröffentlicht, aus dem alle relevanten Informationen bequem zu Hause ausgewertet werden konnten, auch die Zahl der zu fällenden Bäume (eigene Ebene), also offene Karten von Anfang an. Wie sind die Anwohner im Stephankiez vorgegangen? Da sie die Information über die falsche Planungsgrundlage an das Bezirksamt weitergegeben haben, ist der Platz neu vermessen worden und die Anwohnervertretung hat ein Transparent zum Eintragen eigener Vorschläge zur Verfügung gestellt bekommen. Die Anwohnervertretung hat dann sofort die an sich durchaus guten Ziele der S.T.E.R.N. in ihren Gegenvorschlag (Erhalt möglichst vieler Bäume) eingearbeitet und einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Einige Planungsbeteiligten hatten zwar versucht, dies zu unterlaufen (Mit einem Grinsen verbundene Äußerung: „Ihre schöne Zeichnung ist leider irgendwo verschwunden“), aber die Anwohnervertretung hatte von ihrem eigenen Transparent Blaupausen in ausreichender Zahl angefertigt (und diese dann, ebenfalls mit einem Grinsen, vorgelegt). Verwirklicht worden ist dann in der Tat der – nochmals überarbeitete – Kompromissvorschlag, also die guten Ziele von S.T.E.R.N. verknüpft mit dem Erhalt der Bäume.

Mit Latz & Partner war ein solcher Kampf gar nicht nötig, denn die Planer haben zwar klar erklärt, wo sie aus rein fachlichen, also gärtnerischen Gründen, Bäume fällen müssen, um einen nachhaltigen Erhalt des Parks bei angemessenem zukünftigen Pflegeaufwand zu gewährleisten, sie waren aber, und das haben sowohl die Planungswerkstatt als auch die Diskussion mit der Stadtteilvertretung gezeigt, durchaus kompromissbereit. Hier hätte – auch beim Rundgang mit dem Baumgutachter – angesetzt werden müssen, denn da ja noch zwei Bauabschnitte „offen“ waren, hätte hier die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt werden können. In der Tat ist hier eine weitere Feinabstimmung ohne Vorbehalte wichtig, wie die Fragen nach baulicher Unterstützung von Projekten der Straßensozialarbeit und nach Fahrradständern gezeigt haben. Und was in Perspektive noch viele wichtiger ist: Latz & Partner hätten sich dadurch natürlich auch in der Ökoszene einen Namen machen können mit dem Ziel, dass man in Zukunft eher kompromissbereite Büros und eben nicht irgendwelche „planerischen Napoleons“ beauftragt. Die anderen hätten sich irgendwann anpassen müssen, um nicht vom Markt gefegt zu werden.

Fazit: Die Radikalökologen haben mit ihren global betrachtet durchaus richtigen Argumenten lokal einen potentiellen Bündnispartner bekämpft, an statt sich mit den, in ihrem Tun (Abholzung ganzer Wälder) sehr viel schädlicheren, Gegnern Bundeswehr (Schutzstreifen Kyritz-Ruppiner Heide) oder gar den profitgierigen Kapitalisten im Amazonasgebiet (Weideflächen) anzulegen. Bei letzteren wird auch nicht mit Worten, sondern mit Maschinenpistolen geantwortet, diejenigen, die sich dort für Naturschutz einsetzen, gehen ein viel höheres Risiko ein als diejenigen, die sich hier pressewirksam von der Polizei wegtragen lassen. Warum auch mit „den Krupps“ anlegen, wenn man doch „die Krauses“ sehr viel besser bekämpfen kann, zudem mit „Totschlagsargumenten“? Sie haben aber auch – und damit sei hier auch der Konflikt um die vollständige Sperrung der Thusneldaallee (also auch für den ÖPNV) miteinbezogen – einen unsolidarischen Kampf gegen ihresgleichen geführt. Ein Konflikt, der die zunehmende Vereinzelung und Selbstsucht in der Gesellschaft auch in der linken Szene widerspiegelt, geht es dabei doch um Park- beziehungsweise ÖPNV-Nutzer gegen Leute, die ihre ganz eigene Sicht von der Gestaltung eines Parks durchsetzen wollen (um hier nicht gleich denjenigen Argumente in die Hand zu geben, die mir jetzt Partikularinteressen unterstellen wollten: Seit meinem Umzug vom Moabiter Norden in der Moabiter Westen vor 12 Jahren habe ich nichts von einer guten Umsteigesituation U-Bahn-Bus am U-Bahnhof Turmstraße, die durch die Vollsperrung deutlich verschlechtert würde, ich hätte aber als ständiger Nutzer des Weges durch den Ottopark sehr wohl etwas von der Sperrung der Straße). Wer für sich Rechte der Beteiligung einfordert, muss also auch die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen bereit sein, er muss die Folgen für seine Mitbürger bedenken und gegebenenfalls zurückstecken, wenn die Folgen schlimmer wären als der Nutzen.

Es ist ein Lieblingsspiel der Linken, die Reine Lehre (Leere!) zu Lasten der Anwohner und vor allem zu Lasten zukünftiger (umwelt-)politischer Arbeit durchzusetzen zu versuchen. Es ist von einigen Wutbürgern, deren Zahl offensichtlich so gering ist, daß sie zur Verstärkung ihrer Front der Unterstützung Kreuzberger „Schneller Eingreiftruppen“ bedürfen, ein Stil der Bevormundung aller Bürger aufgebaut worden, der stark an den Wandlitzer geriatrischen Kreis und seine Büttel erinnert, die der Meinung waren, daß sie –und nur sie – die „objektiven Interessen der Arbeiterklasse“ am besten verträten, denn sie wären ja deren Vorhut (Ganz nebenbei: Hier eröffnet sich ein wunderbares Forschungsfeld für die „Zwillingsforschung“ (BRD/DDR): Was ist wirklich systemimmanent und was ist menschenimmanent?). Eine zukünftige Bürgerbeteiligung wird sich diesem Problem stellen und nicht mehr als das gesetzlich notwendige Mindestmaß sein, da unnütze Diskussionen verschwendete Zeit sind. Planungsbüros werden sich bedeckt halten und nur noch hinter der Deckung von Ämtern und Investoren, zur Not unter Deckung durch die Polizei, arbeiten. Und wenn eine Seite – die der Radikalen – auf 150-prozentige Durchsetzung ihrer Ideen setzt und von ihrer Linie nicht einen halben Mikrometer abweichen will, dann ist letztendlich auch ein Mediationsverfahren sinnlos (Wieder ganz nebenbei: Würde ein solcher Konflikt mit Waffen ausgetragen, hieße er Bürgerkrieg!).

Wenn die Linke bzw. die Ökoszene ihre Fehler (beziehungsweise die der DDR) wiederholen will, ist das natürlich ihr legitimes Recht, Dummheit ist nicht verboten. Nur sollte sie sich dann nicht wundern, wenn ihre Zustimmung in der Bevölkerung und die Kooperationsbereitschaft von Bündnispartnern sich immer stärker in Grenzen hält. Der hier im Forum schon öfter geäußerte Verdacht der Maschinenstürmerei ist leider nur allzu begründet! Die DDR ist an sich selbst zugrunde gegangen, will die Linke ihr folgen? Das ist noch nicht einmal neu, kein Geringerer als Lenin prägte den Satz „Der linke Radikalismus ist die Kinderkrankheit des Kommunismus“, aber es zeigt sich immer mehr ein partikulares Denken von Aktivisten, verbrämt mit global gemeinten Argumenten. Im Fall des Hamberger-Großmarktes hat sich so ein unsolidarisches Denken ja auch gezeigt: Einzelne Interessengruppen haben sich mit durchaus egoistischen Zielen gegen andere abgrenzen bzw. sie vereinnahmen wollen, anstatt vereint und daher mit voller Schlagkraft gegen die skandalösen Koppelverträge anzugehen und damit die eigentlichen „Strippenzieher“, die nicht im Bezirk, sondern im Senats sitzen (wer stand eigentlich damals der Wirtschaftsverwaltung vor?), zu entlarven. Anstatt, wie es leider nur vereinzelt geschehen ist (Vorschlag andere Dachbinder), mit der durchaus vorhandenen Fachkompetenz einen anderen Plan der Halle, die einen Erhalt erhaltenswerter Vegetation ermöglicht hätte, auch wenn dann nicht mehr die allerbilligste Kiste realisiert hätte werden können, zu erstellen (damit meine ich nun allerdings nicht das tatsächlich vorgeschlagenen bloße Verschieben des Problems zu den Nachbarn hin), hat man sich auf den „hohen städtebaulichen und ökologischen Wert“ zum Teil kranker Pappeln festgelegt und dies als – von interessierter Seite aufgrund der Abgängigkeit der Bäume leicht auszuhebelnde – Hauptstoßrichtung benutzt. „Bäumeabhacken“ weckt nun einmal mehr Emotionen, ist aber eben auch am einfachsten mit dem Totschlagsargument der Verkehrssicherungspflicht durchzusetzen. Zumal das Gesamt-Bebauungsplanverfahren für die B-Pläne II-183 bis II-189 (damalige Bezeichnungen) schon 1998 begonnen worden ist. Wo waren die Kämpfer damals, wann haben sie eine kleinteiligere Bebauung gefordert statt der großen Kiste (Zitat Helmut Rösener (S.T.E.R.N.): „Jeder wußte, dass da eine große Kiste hinkommt.“)? Wo waren die großen Kämpfer, als der in der Bereichsentwicklungsplanung vorgesehene „Infrastrukturpark“ immer mehr zugunsten von Gewerbe verkleinert worden ist zu dem Stadt“gärtchen“, das gerade gebaut wird (und an dem sich einige der heutigen Egoisten schon vergehen wollten zugunsten ihrer freien Aussicht), weil das ‚Land Berlin nicht bereit war, den hohen Preis für Gewerbegelände zu bezahlen, um darauf eine profitlose Grünfläche zu errichten? Es ist doch schon bedenklich, wenn man als selbst Nichtbetroffener in Absprache mit Betroffenen für sie eine Einwendung schreiben muss, weil sie selber den Ernst der Lage offenbar nicht erkannt hatten. Die Chance zu einem wirklich breiten Protest ist hier vertan worden.

Was der Linken und Teilen der Ökobewegung fehlt, ist eine Diskussion (und daraus folgend die Umsetzung!) um die Hauptstoßrichtung und um gemeinsames, zielorientiertes Handeln, kein vereinzeltes und durchsichtig egoistisches Handeln gegeneinander. Die Selbstzerfleischung der Linken zu überwinden und die Abkehr sowohl von ihrem messianischen Sendungsbewußtsein als auch von ihrem Alleinvertretungsanspruch zu erreichen, scheint aber ihr größtes Problem zu sein. Auf die Diskussion bin ich gespannt, aber ich mache mir – ehrlich gesagt – keine Illusionen. Dazu bin ich schon zu lange dabei.

Andreas Szagun

17 Kommentare auf "Bürgerbeteiligung vor dem selbstverschuldeten Aus?"

  1. 1
    Hans-Hermann Hirschelmann says:

    „Natürlich hat auch dieses Tiergartener Modell nicht immer so funktioniert, wie es von Seiten der Bürger hätte funktionieren sollen.“

    Lieber Andreas S,
    grad wenn die Dinge nicht so ganz rundlaufen, lässt sch daraus ja am Meisten lernen. Kann man hier etwas über diese (einstigen?) Probleme nachlesen?

    Gruß hhh

  2. 2
    Hans-Hermann Hirschelmann says:

    „Ein potentieller Bündnispartner, das Büro Latz & Partner, ist zum Feind erklärt worden, „Wutbürger“ machen jedwede sachliche Diskussion mit Totschlagsargumenten zunichte und greifen dabei auch verbal die Bürger an, die wie ich der Planung des Büros zustimmen.“

    Hmm, sag mal Andreas, könnte es nicht sein, dass das mit dem Wutbürgergeschrei eine hammerharte Projektion ist? Habe nur ein wenig quer gelesen. Das klingt alles richtig hasserfüllt. Ganz abstruse Schmähungen sind das. Jetzt sind die bösen Baumschützer auch noch schrille Linke und für die DDR verantwortlich.

    Come down! Gegen Angsträume des Denkens hilft oft auch ein nettes Gespräch. Da muss man nicht gleich so wild rumholtzen. Und man weckt damit auch keine Sympathien für ein „Tiergartener Modell der Bürgerbeteiligung“.

    Wir könnten uns ja einmal darüber unterhalten, welche Nachhaltigleitsziele dem Bezirk Mitte in Sachen Transparenz und Bürgermitwirkung anempfohlen werden sollte. Erfahrungen mit dem „Tierartener Modell“ sind da gewiss sehr wertvoll.

    Siehe http://www.la21mitte.de/index.php/aufgabenbereiche/107-liste-nachhaltigkeitsziele

    Gruß hh

  3. 3
    Norbert Onken says:

    Bezüglich Hamberger muß ich Ihnen widersprechen, Herr Szagun.
    Die BI hat doch gerade immer wieder versucht „ …mit der durchaus vorhandenen Fachkompetenz einen anderen Plan der Halle … zu erstellen …“ auch im Sinne erhaltenswerter Vegetation,

    Es ist richtig, wenn Helmut Rösener sagt, wie Sie zitieren: „ Jeder wusste, dass da eine große Kiste hinkommt.“ ( Natürlich zu relativieren: Jeder hätte oder Viele hätten wissen können … ).

    Sehen Sie doch mal unter http://www.stadtumbau-berlin.de/uploads/media/Voruntersuchung_Tiergarten-Nordring_Heidestrasse_Dezember_2005_01.pdf , S. 105 des pdf – Dokuments und zoomen Sie dort auf das Güterbahnhofsgelände. Oder zoomen Sie mal hier: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/planwerke/pix/innere_stadt/planwerk_innere_stadt_2010.jpg – das ist die Darstellung noch 2010.

    Dort ist jeweils eine große, eine riesige Kiste dargestellt.

    Das Ding wurde aber noch viel riesiger, viel zu riesig. Als es dann in seiner tatsächlichen Dimension der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, reagierten etliche betroffene Anwohner sofort und organisierten sich in der BI Siemensstraße.

    Die BI hat in zahlreichen Verhandlungen immer versucht, die klamme Kasse des Bezirks zu berücksichtigen, die die Anlage und Unterhaltung einer einzigen großen Grünfläche auf dem Gelände nicht zuläßt, und weitgehend dem Interesse des Investors gerecht zu werden. (Einige hitzige Beiträge zur Debatte taten und tun dem keinen Abbruch.)

    Unter http://spreeblitz.de/sites/default/files/image/Hamberger/Forderungen%20BI.jpg finden Sie einen – übrigens innerhalb der BI heiß umstrittenen – Entwurf, auch dieser zeigt eine riesige Kiste.

    Aber schon beim ersten Gespräch mit dem Amt für Stadtentwicklung wurde mitgeteilt, dass an Dimension und Position des Gebäudes nichts mehr geändert werden würde. Bürgerbeteiligung wurde zwar intensiv zelebriert, aber im Grunde nur zugelassen dort, wo eine unanständig dimensionierte Kiste, die den Bürgern vor die Nasen gesetzt wird, aufgehübscht werden soll.

    Sie sprechen von „abgängigen“ Bäumen und lassen auch die „städtebauliche“, wie Sie das sagen, Relevanz der Pappelreihe nicht unerwähnt, ignorieren aber gleichwohl die stadträumliche Bedeutung dieser Baumreihe. Die unter o.g. Links aufzufindenden Darstellungen hätten alle drei den Erhalt der Baumreihe ermöglicht. Die BI hat übrigens nicht bestritten, dass in der Reihe „abgängige“ Pflanzen sind. Sie hat aber immer wieder darauf hingewiesen, dass die Baumreihe durch Fällen kranker Bäume und Nachpflanzen, durch Pflege und Pflegeschnitt, wie er Stadtbäumen gemeinhin zukommt, erhalten werden kann. Die Bedeutung der Baumreihe für den Stadtraum hier verstehen Sie offenbar nicht, aber das werfe ich Ihnen als „Nichtbetroffenen“ nicht vor.
    Sie konstruieren sich Egoisten und Egoismen zurecht.
    Sie wissen offenbar nicht, dass die BI auch auf der Landesebene intervenierte.
    Sie übersehen, dass die „skandalösen Koppelverträge“ ( oh, haben Sie da vielleicht zusätzliche Informationen, die Sie der BI geben könnten? ) ständig Angriffspunkt waren.
    Aus vielen, oft verständlicherweise auch polemischen Äußerungen, die im Laufe von mittlerweile zweieinhalb Jahren der Auseinandersetzung gefallen sind, zupfen Sie sich Einzelnes heraus, um Ihre schließlich unrichtige Version der Geschichte zu basteln.
    Sie schreiben: „Im Fall des Hamberger-Großmarktes hat sich so ein unsolidarisches Denken ja auch gezeigt: Einzelne Interessengruppen haben sich mit durchaus egoistischen Zielen gegen andere abgrenzen bzw. sie vereinnahmen wollen …“ Es ist mir unerfindlich, wovon Sie reden. Selbstverständlich gab es auch Disput und Streit in der BI, aber doch nicht so, wie Sie das beschreiben. Lügen Sie hier oder verwechseln Sie etwas?

    Was Sie der BI von Lenin und großen Kämpfern vorhalten, betrifft die BI gar nicht. Mit welch absonderlichen Schablonen gehen Sie denn auf Leute los, von denen Sie offenkundig sehr wenig wissen!?

    Ihre Kritik bezüglich der Art und des Schwerpunkts der Auseinandersetzung: ok, darüber kann und sollte man immer reden; in der BI wurde von Anfang an auch darüber geredet.
    Aber „wirklich breiter Protest“ garantiert Ihnen keineswegs Erfolg. Breite Legitimation hat die BI vor Ort – und Befürworter des strittigen Ausmaßes der Halle gibt es hier auch.

  4. 4
    vilmoskörte says:

    Diese tollen Plakate, die offensichtlich unterschiedliche Gruppen anonymer Baumschützer immer wieder aufhängen, geben doch ein beredtes Bild davon ab, welches Verständnis von Demokratie und Bürgerbeteiligung diese Gruppen haben. Es ist ihre Meinung, die die allein richtige ist, denn sie sind ja „die Guten“, die Ökologischen, die Naturverbundenen, die Tierfreunde. In Politik und Verwaltung sitzen sowieso nur „die Bösen“.

    Da braucht man nichts mehr hinzuzufügen, ihre Aussagen belegen selbst Andreas‘ These von den „Wutbürgern“, die jegliche sachliche Diskussion zunichte machen. Sie haben ein emotionales Brett vor dem Kopf, wenn sie von „wir wollen Bäume statt Beton“ oder von „Ottoplatz wird Autoplatz“ reden. Durch dieses Brett geht leider kein sachliches Argument mehr durch.

  5. 5
    Frank says:

    War ja ganz nett, der Artikel, bis zur Wendung kurz vor Schluss, die sich mir beim besten Willen nicht erschließt: Warum wird da jetzt auf „die Linken“ eingeschlagen? Aus dem vorgegangenen Text geht die politische Orientierung der angesprochenen „Wutbürger“ jedenfalls nicht hervor, aber plötzlich sind es „Linke“, und eine Generalabrechnung folgt. Lieber Andreas Szagun, welche Laus läuft Ihnen über die Leber? Mir persönlich sind echte Linke immernoch lieber als Rechte. Naja.

  6. 6
    Rudolf Blais says:

    Zur angesprochenen Unterschriftensammlung: „Rettet die gesunden Bäume
    im Kleinen Tiergarten/Ottopark“ von der Initiative für einen respektvollen Umgang mit den Grünanlagen

    Andreas Szagun schreibt:

    „Begleitet wurde sie aber von anderen durch eine Unterschriftensammlung, bei der – unter anderem hier im Forum nachzulesen – mit der „Betroffenheitskeule“ („Wollen Sie, dass hier alle Bäume abgeholzt werden?“) Unterschriften gesammelt worden sind und eine Schlammschlacht mit anonymen (!) Diffamierungen sowohl des Planungsbüros als auch des damals amtierenden Stadtrats.“

    Richtig ist, dass es im gesamdten Zeitraum der Unterschriftensammlung von den Akteuren der Unterschriftenkampagne eine solche Diffamierungen oder gar „Schlammschlachten“ nicht gegeben hat. Im Beitrag http://www.moabitonline.de/8110 sind im Nachtrag vom 23.8.2011 der Unterschriftenbogen und eine Presseerklärung herunterzuladen. In gut einen Monat unterschrieben 2800 Bürger – ein deutliches Votum für die Rettung der 53 Bäume. Niemand sonst hat zur Parkumgestaltung KTO seit 2010 die Bürger befragt. Nichteinmal eine öffentliche Informationstafel gibt es bisher. Die Unterschriften wurden fast zu 100% in Moabit gesammelt – allein auf dem Kirch- und Turmstrassenfest 2011 war die Resonanz mit ca. 1000 Untrschriften so überwältigend, weil sich die Menschen so sehr mit dem Park verbunden fühlen und den Wert der Bäume schätzen. Nicht umsonst wird auch in den Parteien von einer unzureichend stattgefundenen Bürgerbeteiligung zur Parkumgestaltung Ottopark gesprochen.
    Die Zahl der zu fällenden Bäume wurde erst durch eine BVV-Anfrage im März 2011 bekannt und nicht in den vorher stattgefundenen Werkstätten und Bürgerinformationsveranstaltungen im Zeitraum Dez 2010 bis Feb 2011 – die immer noch von den Planern als „stattgefundene umfassende Bürgerbeteiligung“ belobt werden. Konkrete eingeforderte Angaben, Zahlen zu den beabsichtigten Baumfällungen wurden auf den genannten Bürgerveranstaltungen den Bürgern vorenthalten.
    Die Stadtteilvertretung Aktives Stadtzentrum Turmstraße hat die Unterschriftenkampagne nicht unterstützt und ging zum Thema im Sommer/Herbst 2011auf Tauchstation. Auch die bekannten Berliner Umweltverbände wollten sich zunächst nicht das Thema annehmen.

    Zu der abgedruckten Plackatserie:

    Alle dargestellten Plakate sind nicht von der Initiative für einen respektvollen Umgang mit den Grünanlagen. Es gab einige weitere nicht näher bekannte Akteure, die ihre Plakate, Zettel an Bäume und im KTO-Umfeld aufgehängt haben. Die genannte Initiative hatte dies bereits im BVV Umweltausschuss am 26.9.2011 klargestellt.

    Rudolf Blais

  7. 7
    H. E. says:

    @ an den Verfasser des Artikels:

    Wenn Sie fragen, wo denn die Bürgerinitiative Siemensstraße (und die meinen Sie ja wohl im 9. Absatz mit den „Großen Kämpfern“) war, als 1998 das Bebauungsplanverfahren begonnen wurde, dann muss ich dazu feststellen, dass damals nie die Rede davon war, dass ein Stadtrat und eine Abt. Stadtentwicklung (!!!) irgendwann auf die abartige Idee kommen werden, die an dieser Stelle stehende stadtbildprägende Pappelreihe für eine Ikea-große Betonkiste und 300 Parkplätze einzig zum Wohle eines Privatinvestors abzusägen. Und das auch noch, obwohl diese aus über 130 Bäumen bestehende Baumreihe seinerzeit aus städtebaulichen Gründen als Trennung zwischen dem Gewerbegebiet und der Wohnbebauung gepflanzt wurde.

    Bevor Sie also evt, noch weiter derart unsinnige Fragen stellen und Vorwürfe machen, sollten Sie sich erst mal über die Arbeit und die Ziele dieser Bürgerinitiative informieren.
    Offenbar wissen Sie nicht, dass in der Voruntersuchung „Stadtumbau West“ (an der ausgerechnet die Abt. Stadtentwicklung von Mitte mitgewirkt hat) noch 2005/2006 und im „Planwerk Innere Stadt“ (von Sen Stadt) sogar noch 2011 an dieser Stelle zwar eine „Große Kiste“ (42 % und damit fast um die Hälfte kleiner als die jetzt geplante) eingezeichnet war bzw. jetzt noch ist, die von der Siemensstraße 15 (fünfzehn) Meter Abstand hatte. Dieses hätte erlaubt, die Pappelreihe stehen zu lassen und damit die deutliche Trennung zwischen Gewerbe und Wohnen zu erhalten.

    Und genau dieses (allerdings nur mindestens 10 m) forderte und fordert die BI. Begonnen hat die BI mit ihrer Arbeit übrigens im Oktober 2009, nachdem am 28. September in einer Bürgerinformationsveranstaltung im SOS-Kinderdorf in der Waldstraße bekannt wurde, dass die Bäume abgesägt werden sollen.

    Und wenn Sie schreiben, dass hier die Chance zu einem wirklich breiten Protest vertan wurde, kann ich nur zurückfragen, ob Sie schon jemals den Finger in einer Bürgerinitiative krumm gemacht haben. Haben Sie überhaupt eine Ahnung davon, wie viel Arbeit das bedeutet und wie viel Zeit man dafür aufbringen muss?

    Haben Sie eine Ahnung davon, wie schwer es ist, in Moabit ein breites Interesse an einer nicht nur ökologischen sondern auch städtebaulichen Problematik zu wecken? Moabit ist nicht der Gendarmenmarkt, wo kürzlich beherzte Bürger stante pede einem Stadtrat eine peinliche Schlappe bereitet haben, obwohl er dort lediglich Bäumchen absägen wollte.

    Ach ja: Ist Ihnen zufällig auch klar, dass eine derartige Bürgerbeteiligung immer ehrenamtlich ist und dass man manchmal sogar noch viel Geld mitbringen muss, damit letztlich Gerichte feststellen, dass mal wieder eine Abt. Stadtentwicklung die Gesetze falsch interpretiert hat, obwohl sie diese eigentlich sehr gut kennen müßte?

  8. 8
    K. S. says:

    Dass ein zunächst recht sachliches und logisches Statement so in den letzten drei Absätzen so kippt, zeugt von einer Verbohrtheit, die der Autor merkwürdigerweise selbst beklagt. D´accord, so lange es um Stephanplatz und Kleinen Tiergarten geht. Auch die Hinweise auf die Kyritz-Ruppiner Heide und den Amazonas haben ihre Berechtigung, sogar die Formulierung „besserer Blumenkasten“ könnte ich noch mittragen.

    Absurd wird es allerdings, wenn quasi Hamberger schöngeredet wird und der Autor einen Rundumschlag auf die Linke und die DDR startet. Lieber Herr Szagun, sind Sie etwa gar ein rechter Anhänger des entfesselten Zockerkapitalismus? Was qualifiziert zu einem Pauschalurteil über die Linke und die DDR? Welche Ossi-Wessi-Mischung weist Ihr Freundeskreis auf? Wie haben Sie sich übrigens zur Kyritz-Ruppiner Heide und zum Amazonas engagiert?

  9. 9
    vilmoskörte says:

    Ein „Schönreden von Hamberger“ kann ich im Artikel nicht erkennen, vielmehr argumentiert der Autor damit, dass das städtebauliche Fiasko der Umgestaltung des früheren Güterbahnhofs zu einer „großen Kiste“ (und nicht zu einem Park, wie noch unter Herrn Porath geplant, wenn ich mich recht erinnere) im Grundsatz auf den Erhalt der Pappelreihe reduziert wird. Die eigentlichen Probleme und ihre Ursachen werden jedoch, so wie es es verstehe, durch Mangel an Strukturiertheit und Organisiertheit in der Ökoszene und der Linken nicht oder unzureichend analysiert und angegangen (inwieweit die Linke und die Ökoszene deckungsgleich sind, darüber ließe sich anderswo trefflich streiten).

  10. 10
    "Bürgerbeteiligungsveteran" says:

    Bürgerbeteiligungsveteran. So hat mich ja HHH, der mich ansonsten nur noch mit meinen Initialien abkürzt, in diesem Forum genannt. Er ist wenigstens so ehrlich, zuzugeben, nur „quergelesen“ zu haben. Ich hatte lange überlegt, ob ich mir die Mühe machen sollte, zu antworten, denn etliche Kommentatoren haben sich ja selbst entlarvt und so meine Vermutung, daß es wohl nicht zu einer sinnvollen Diskussion käme, vollauf bestätigt.
    Warum habe ich eigentlich „links“ und öko“ in einen Topf geworfen? Weil ich, unabhängig vom jeweiligen ideologischen Überbau, dieselben Verhaltensmuster erkenne, immer geht es um „Linie“, immer werden „Abweichler“ gleich mit den Totschlagsargumenten „rechts“, „bürgerlich“ oder „Befürworter des Zockerkapitalismus“ weggebissen. Ich blicke da – um eine andere Frage zu beantworten – auf dreißig Jahre Erfahrungen in Parteien, Bürgerinitiativen und Vereinen, und zwar alles ehrenamtlich, zurück. Wer darüber hinaus den einleitenden Absatz gelesen hat, sollte doch wohl verstanden haben, daß ich bestimmt nicht „rechts“ stehen kann. Es ist aber wohl einfacher, „Stellen“ zu suchen, die man – aus dem Zusammenhang gerissen – dann als Beleg für verwerfliche Überzeugungen nutzen kann, anstatt sich die Zusammenhänge vor Augen zu führen. Und immer wieder gibt es Tabus, über die nicht geredet werden darf, weil das eigene Weltbild vielleicht den einen oder anderen Kratzer bekommen könnte. Daher könnte ich meine Kritik auch noch mühelos weiter ausdehnen auf z.B. die Migrationspolitik (wie steht man zu dem kleinen Teil der kriminellen Migranten) oder die Friedensbewegung (wie steht man zu „unseren“ Soldaten in Afghanistan, die ja formal freiwillig dort sind: Sind sie nützliche Idioten, denen man bei Verwundung oder Tod keine Träne nachweinen braucht oder sollte man sich mit ihnen solidarisieren, weil sie für die Gier des Kapitals in einen Krieg geschickt, aber aus innenpolitischen Rücksichten (mehrheitliche Ablehnung des Einsatzes durch die Bevölkerung) falsch – also lebensgefährlich – ausgerüstet und ausgebildet werden, um mit ihnen gemeinsam gegen diesen Krieg zu protestieren?).
    Immer wieder merke ich, daß Nachdenken in den eigenen Reihen unerwünscht ist bzw. gerne „Vordenkern“ überlassen wird („den mußt Du lesen …“). Das ist vor allem bequem, denn Auswendiglernen und Nachplappern ist ungleich weniger aufwendig als sich selbst Gedanken zu machen, denn da könnte ja vielleicht ein liebgewordenes Dogma fallen. Hat niemand meinen Hinweis auf die Parallelität der beiden deutschen Staaten ernstgenommen, fragt keiner nach den Herrschaftsformen der für Herrschaftsfreiheit Kämpfenden? Das große „I“ mag da als ein Beispiel von noch so vielen dienen: Ist je auch nur eine Leichtlohngruppe durch dieses Symbol beseitigt worden? Und wer klagt gegen nach Geschlechtskriterien getroffenen Personalentscheidungen? Wohl bevorzugt Männer, die sich benachteiligt fühlen. Aber als Knute gegen die eigenen Leute eignet sich das große „I“ wunderbar, ist doch jeder, der es aus Liebe zu eigenen Sprache ablehnt, verdächtig, nicht genügend Bewußtsein zu haben. Wenn einer darüber hinaus auch noch heimatverbunden ist, muß es sich selbstredend um einen Faschisten handeln.
    Um zum Kleinen Tiergarten zurückzukommen: Hat auch nur einer der „Baumschützer“ wahrgenommen, daß südlich des Unionplatzes der Park umgestaltet und dabei auch ausgelichtet worden ist? Die dortige Bürgerbeteiligung ist völlig reibungslos verlaufen, einige Vorschläge der Bürger sind schon umgesetzt worden. Vermutlich liegt es daran, daß dort andere Menschen wohnen, denen die Luxussorgen der bildungsbürgerlichen Elite (als bekannt setze ich das Schimpfwort „Bionade-Bourgeoisie“ voraus) völlig fremd sind. Solche Menschen wohnen auch in der Umgebung des Kleinen Tiergartens, und ihre Bedürfnisse nach Erholung, aber auch Sicherheit (Angsträume), als „Spaßgesellschaft“ und „Wunsch nach Sonnenbrand“ abzutun, grenzt an Menschenverachtung. Aber diese Elite ist ja tatsächlich so frech, es als demokratisch zu bezeichnen, wenn sie, die Minderheit, der Mehrheit ihren Willen aufzwingen wollen. Wieweit sie selbst abseits stehen, geben sie ja schon dadurch zu, in dem sie von fehlender Unterstützung durch die Stadtteilvertretung und die großen Naturschutzverbände schreiben (und die anonymen Plakate sind natürlich von den großen unbekannten dort aufgehängt worden).
    Was mich an dieser und so vielen anderen Angelegenheiten enttäuscht, daß dieselben Herrschaftsmechanismen, die der kapitalistischen Gesellschaft zugeschrieben werden, ebenso „wunderbar“ in den kommunistischen und Arbeiterparteien, aber auch bei den Achtundsechzigern, in der Grünen Partei und so vielen Bürgerinitiativen funktionieren. Wie wollen wir da jemals besser sein?

    A.S.

  11. 11
    H. E. says:

    Um die Diskussion mal wieder etwas greifbarer zu machen:

    Ich glaube, dass weniger die Bürgerbeteiligung vor dem Aus steht als die Politik. Gestern (Samstag) war typisch: Tausende in mehreren Städten haben Bürgerbeteiligung praktiziert, indem sie gegen gesundheitsschädliche Nachtflüge demonstriert haben, die einzig dem Kommerz dienen und von der Politik toleriert wenn nicht sogar gewünscht werden.

    Die Leute haben die Nase voll von der Betonpolitik und von der Arroganz der Macht, die gerade in dieser Disziplin immer penetranter aber auch deutlicher geworden ist. Und um ein geflügeltes (Berliner) Wort zu zitieren: Und das ist gut so.

    Warum gibt es in Berlin so viel Bürgerbeteiligung in der Form von Bürgerinitiativen? Man wird schnell feststellen, dass sich die meisten BI’s nicht gebildet haben oder bilden, um eine gute Idee für die Allgemeinheit umzusetzen, sondern um sich gegen schlechte Pläne zu wehren, die von privaten Investoren mit der Hilfe der Politik auf dem Rücken von Bürgern verwirklicht werden sollen. Und dieses dann oft auch noch in schwachen Berliner Bezirken.

    Je mehr das Internet dazu beiträgt, dass sich Bürger und Bürgerinitiativen vernetzen können, um so größer werden die Möglichkeiten der Bürger, z. B. einer Beton- und Gefälligkeitspolitik ein Ende zu setzen und allgemein eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung an der Planung durchzusetzen. Wichtig ist hierbei jedoch auch, dass die Bürger an einem Strang ziehen und nicht gegeneinander arbeiten, wie man es leider bei Moabit Online in manchen Kommentaren erleben kann.

  12. 12
    "Bürgerbeteiligungsveteran" says:

    Zu 11
    Genau darum geht es mir doch: Wohin geht der Weg der BIs? Partikularinteressen oder Allgemeinwohl? Ist man vor Ort bereit, über den Tellerrand zu sehen oder nicht? Die großen Probleme (Großínvestoren) kann man im Grunde nur dann lösen, wenn auch die Eigentumsfrage gelöst ist. Kann, denn die DDR hat gezeigt, daß eine Regierung, die von sich meint, die objektiven Interessen der Werktätigen zu vertreten, die Umwelt auch richtig versauen kann (siehe Wismut)!
    Eine BI ist darüber hinaus noch keine Bürgerbeteiligung, sondern erst eine Art Beginn dessen. Und man darf die Frage stellen, wo denn all die Leute, die vor der eigenen Haustür Fluglärmfreiheit oder auch verkehrsberuhigte Zonen fordern, denn so ihren Urlaub verbringen bzw., mit welchem Verkehrsmittel sie den Weg zur Arbeit zurücklegen. Im übrigen funktioniert nur der gute alte Rechenschieber ohne Strom, der Computer – und damit das Internet – braucht nun einmal immer mehr Strom, und je weiter die Softwareaufrüstungsspirale (gerade für das Internet!) sich dreht, desto schneller folgt ihr die Hardwareauftrüstungs- und Energieverbrauchsspirale! Auch hierbei stellt sich für uns alle also die Frage: Wohin?

  13. 13
    K. S. says:

    „Und man darf die Frage stellen, wo denn all die Leute, die vor der eigenen Haustür Fluglärmfreiheit oder auch verkehrsberuhigte Zonen fordern, denn so ihren Urlaub verbringen bzw. mit welchem Verkehrsmittel sie den Weg zur Arbeit zurücklegen.“
    Ja klar, aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn die Verkehrsplanung müsste auch viel mehr auf kurze Wege setzten. Mobilität bedeutet nicht, viele Kilometer zurückzulegen, sondern bestimmte Zielorte (zum Arbeiten, Einkaufen, Erholen, …) zu erreichen. Insofern produziert jede staatlich subventionierte Bescheunigung mehr Verkehr, da dann Funktionen entflochten werden, die früher noch auf jedem Dorf vorhanden waren. Ich fand die Anti-Schönefeld-Initiativen total blöd, weil sie zunächst nur darauf abzielten, den Flughafen nach Sperenberg zu verlagern. Man hätte sich fragen können, ob eine derartige Fliegerei in 20 … 30 Jahren noch existieren soll/darf/wird/kann, aber welcher Politiker denkt schon über die nächste Wahl hinaus.

    Um noch mal auf die Pauschalbeschimpfung dere Ökoszene zurückzukommen: Mir sind Leute mit Visionen lieber als Leute, die dem Wirtschaftswachstumsdogma hinterherhecheln. Das aber auch die Fehler machen, ist menschlich.

    „…, und je weiter die Softwareaufrüstungsspirale sich dreht, desto schneller folgt ihr die Hardwareauftrüstungs- und Energieverbrauchsspirale!“
    Nee, hier sehe ich schon eine gewisse Entkopplung, der Ressourcenfresser Windows Vista ist ja gerade deshalb zum Flop geworden.

  14. 14
    "Bürgerbeteiligungsveteran" says:

    zu 13
    Richtig, Sperenberg hätte noch längere Wege bedeutet. Und der ganze Länderegoismus der Bonn-Berlin-Aufteilung von Ministerien und die damit verbundene erzwungene Mobilität spricht dazu auch Bände.
    Ich habe aber niemals die Ökoszene (zu der ich mich im Prinzip auch zählen kann) PAUSCHAL beschimpft, sondern genau auf diesen Lokalegoismus und die deshalb fehlenden Visionen abgestellt (ich verweise dabei nochmals auf den Konflikt „Thusneldaplatz“ kontra attraktiver ÖPNV): Mir sind noch Flugblätter in Erinnerung, auf denen eine Lichtenrader Gruppierung Anfang der 90er Jahre den Zentralbahnhof gegen die Interessen der Moabiter gefordert hatte. Nun protestieren die Lichtenrader nicht nur gegen den Flughafen, sondern schon länger gegen die Zufuhrstrecke zum Zentralbahnhof, klar, denn sie wollen ihr idyllisches Fleckchen im Schatten der Mauer, die sie ansonsten sicher für das größte Verbrechen der Welt gehalten hatten, nicht verlieren. Ob Moabiter wegen der Bahnhofsnähe heutzutage ihre Wohnung verlieren, wird ihnen aber wohl egal sein.

  15. 15
    K. S. says:

    Sorry, lieber Bürgerbeteiligungsveteran (bärtiger Mann in Hippiekleidung), mit Pauschalbeschimpfung meinte ich eher den Eingangsartikel. Sorry, wenn ich hier im Moabiter Kiez auch mal Off Topic und emotionaler plaudere, als wenn ich ein Statement auf meine Website schreiben würde. Aber dafür ist Moabit Online ja in gewisser Weise da …

    Die Ökos, die Linken und die DDR wurden oben in einem Atemzug der „Reinen Leere“ bezichtigt, dass das unseren Alltag bestimmende militante Dogma des Wirtschaftswachstums ebenso ideologisch geprägt ist, soweit gehen die Gedanken jedoch nicht. Ich komme mit dieser verallgemeinernden einseitigen Betrachtung einfach nicht klar …

    P. S. wehr rechtschreibefehler vindet, darf si behalten

  16. 16
    Alex says:

    In der Tat habe ich auch das Gefühl, dass der Parkumbau ein gutes Beispiel dafür ist, wie sich eine kleine, aber lautstarke Gruppe anmaßt, im Namen aller Bürger zu sprechen. Bürger bin ich nämlich auch, und so wie vielen anderen Moabitern, mit denen ich mich unterhalten habe, gehen mir die „Baumschützer“ einfach auf die Nerven. Ein Park ist kein Ort, um die Welt zu retten, er ist auch kein Wald, sondern ein städtischer Raum und sollte von möglichst vielen Leute genutzt werden können. Im kleinen Tiergarten ist es ganz offensichtlich, dass dafür einige Bäume wegmüssen (meiner Meinung nach am besten so viele, wie ursprünglich geplant).

  17. 17
    Björn says:

    Vielen Dank, Alex!

    Ich möchte Deinen Beitrag unterstützen. Einige Termine (u.a. die Planungswerkstatt) habe ich selbst miterlebt und war von den aufgeregten Einwürfen der „Baumschützer“ ziemlich angefressen. Denn wenn ich mich richtig erinnere, waren die meisten Anwesenden – bei allen Fragen im Details – den Parkplänen aufgeschlossen begegnet.

    Bürgerbeteiligung macht eben auch nur Sinn, wenn sie sachlich bleibt. Ansonsten ist es doch kein Wunder, wenn Planer und Politiker angedötscht sind und keine große Lust verspüren, sich mit quengeligen Anwohnern auseinanderzusetzen. Leider hat sich die Diskussion um den Kleinen Tiergarten und den Ottopark ziemlich verselbständigt. Mein Interesse an Mitsprache in dieser Sache ist daher auch schnell verwelkt.

    Ich hoffe nur, dass nun schnell abgesägt, gebastelt und gebuddelt wird, die Planer trotz Widerstands durchhalten und die Moabiter recht bald eine frische grüne Lunge erhalten – gerne mit Sichtachsen, neuen Ausblicken und ohne (kranke) Bäume. Wildes Abholzen hätte ich ja auch blöd gefunden. Aber davon kann in diesem Fall keine Rede sein.

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