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Mehr als 25 Jahre Walhalla

Warum heißt das Walhalla Walhalla? Ganz sicher nicht in Anlehnung an den Götterpalast aus der germanischen Mythologie, in dem die tapferen der in der Schlacht gefallenen Kämpfer ihre letzte Ruhe fanden und die nicht gefallenen sich abends von den Walküren Bier und Met servieren ließen. Obwohl es die Germanen ja auch eher schlicht und einfach gemocht und auf Tischdecken keinen besonderen Wert gelegt haben sollen. Diese Einfachheit, diese Vermeidung eines Stils war auch in jüngerer Vergangenheit schon fast wieder ein Stil, zumindest Ausdruck einer Haltung von Leuten, denen es mehr auf den Inhalt ankam als auf die Verpackung. Man könnte das eine schnörkellose Gemütlichkeit nennen, der Raum gibt keine Moden vor, steht allen offen und die Atmosphäre wird bestimmt von den Gästen, die Platz genommen haben und miteinander ihre Zeit verstreichen lassen. Das Walhalla ist in dieser Einfachheit in den letzten 25 Jahren eine richtige Moabiter Institution geworden und als solche weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannt.

Hans Ott, der zusammen mit Berthold Skorzinsky und Roland Rauer im Januar 1982 das Walhalla eröffnete, sagt: „Wir wollten eine Kneipe, in der man alles machen kann, in der das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und in der es gemütlich ist, eine Kneipe für Leute, wie wir selber waren, jung, wild, langhaarig.“ Die Startbedingungen waren günstig, „wir hatten hier von Anfang an ein Heimspiel.“ Es kamen ein paar glückliche Umstände zusammen.

walhalla-250Über Umwegen zur Wirklichkeit

Den Heimvorteil hatten sich die damals jungen Wirte natürlich erarbeitet. Als Hans Ott 1976 aus dem Bayrischen nach Berlin kam, weil man hier nicht zur Bundeswehr musste und studieren konnte, brauchte er einen Job und fand den in einer Kneipe in der Krefelder Straße. Als sein damaliger Chef verkaufen wollte, sah er seinen Arbeitsplatz verloren gehen und überredete den Chef, nicht zu verkaufen, sondern zu verpachten, und zwar an ihn. Der Arbeitsplatz war die eine Sache, „aber ich hatte das Kneipendasein auch lieben gelernt, und dann haben Berthold und ich den Laden geschmissen.“ Und das offenbar sehr gut, denn die Kneipe wurde ihnen schon nach kurzer Zeit zu klein. Die Kneipe an der Ecke, ein paar Schritte weiter, die mit den großen Räumen, die wäre gerade richtig gewesen, doch die war nicht frei. Sie wurde zu einem Traum. Und dieser Traum wurde Wirklichkeit, wenn auch über ein paar Umwege. Zuerst verkaufte ihr Chef den Laden doch, dann ging Hans Ott für ein halbes Jahr nach Mexiko und für ein weiteres halbes Jahr in die USA. Nach der Rückkehr musste er Geld verdienen, Berthold musste auch Geld verdienen, und da fragten sich die beiden „was können wir? Kneipe, was anderes haben wir ja nicht gelernt.“ Und siehe da, das Traumlokal an der Ecke stand zur Übernahme bereit. Nur 25.000 Mark mussten sie für die neue Raumgestaltung – die Einfachheit war also auch die Vermeidung höherer Kosten – und den ersten Getränkevorrat investieren. „Am ersten Tag war alles bezahlt und wir waren pleite.“ Doch schon mit dem ersten verkauften Bier ging es bergauf. „Die Leute kannten uns ja.“ Deshalb das Heimspiel. Der Laden lief vom ersten Tage an.

Heute ist nicht nur auffällig, dass das Walhalla meistens voll, zumindest aber gut besucht ist, sondern dass die Gäste aus allen Generationen kommen. Da sind natürlich viele Stammgäste, die zusammen mit den Wirten älter geworden sind. Es kommen aber auch die Jungen und die noch älteren. Die ehemaligen Krankenschwestern aus dem Krankenhaus Moabit haben hier ihren Stammtisch und die Gewerkschaft der Polizei („Für die stelle ich extra einen Wimpel auf den Tisch.“), die SPD, die FDP, die alleinzahlenden Väter, einmal im Monat kommt eine Gruppe von Rollstuhlfahrern, Platz genug ist da, nachmittags kommen Mütter mit ihren Kindern, da wird eine Spielecke eingerichtet, wenn die Bundesliga oder die Champions League spielt, wird die Großbildleinwand runter gefahren, und wenn das Wetter gut ist, können die Gäste draußen sitzen.

Am Anfang war Baguette

Auf der Karte stehen diverse Frühstücke, Suppen, Salate, Baguette, Pasta, Pizza, Fleischiges und Fleischloses. „Die Küche hat sich erst so nach und nach entwickelt, am Anfang gab es nur Baguette.“ Es sind die Gäste selbst gewesen, die gesagt haben, könnt ihr nicht mal ne Suppe kochen oder ne Pizza backen? Einen Pizza-Ofen hatte man schließlich in der Küche. „Wir sind dann zu einem befreundeten Pizza-Bäcke in Schöneberg gegangen und haben gesagt: Hör mal, kannst du uns mal zeigen, wie man Pizzateig macht? Da hat der uns das gezeigt, und dann konnten wir das auch. Und es kam sofort gut an. Genau so war es mit den Suppen. Einer konnte Suppen kochen, die liefen sofort.“ Die Speisekarte ist so einfach wie das ganze Lokal. Die Baguette gibt es immer noch, und dann alles, was so nach und nach dazu kam. „Wir hatten einen Koch aus Schwaben, der fragte: Wollen wir nicht mal Spätzle machen. Klar, haben wir gesagt, warum nicht? Da hat der in der Küche mit dem Spätzle-Brett gestanden, und es hat sofort funktioniert.“

Hans Ott wohnt gleich gegenüber. Er sagt, das sei ja hier wie in der Lindenstraße, „ich kenne doch den ganzen Kiez. Neulich habe ich einen Koch eingestellt, den kenne ich, seit er so war“, und dabei zeigt seine Hand eine Größe an, die ungefähr drei Käse hoch über dem Boden liegt.

Die Welt dreht sich heute schneller als vor 25 Jahren, aber das Walhalla hat sein Tempo beibehalten und allen wechselnden Moden widerstanden. Das kann auch ein Erfolgsrezept sein. Und wie kam es nun zu dem Namen? „Wir haben damals viel Musik gehört, Jethro Tull, von denen lief morgens, mittags und abends „Cold Wind To Walhalla“. Von germanischen Palästen hatten sie keine Ahnung. „Wir dachten, Walhalla, das klingt gut, das ist ein Name, den man sich merken kann. Walhalla. Und den kann man auch nach dem fünften Bier noch aussprechen.“

Text von Antonius Beck, zuerst erschienen in der letzten Ausgabe von „stadt.plan.moabit„, Nr. 48, April 2007

Nachtrag:
2012 feiert das Walhalla sein 30jähriges Bestehen mit einem Straßenfest in der Krefelder Straße (zwischen Essener und Alt-Moabit) am Samstag, den 18. August ab 13 Uhr. Hier geht’s zum Artikel der Berliner Woche.

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